Die Anfänge des Schulwesens reichen bis in die frühesten Zeiten
zurück. Schon 529, 680 und 772 finden sich Vorschriften, nach denen alle
Geistliche auf den Dörfern Schulen, den sogenannten Pfarr- oder Parochialschule,
zu errichten hatten, um die Kinder sowohl mit dem Glauben und dem Vaterunser,
als auch, wenn möglich, mit dem Lesen, Schreiben und dem Singen vertraut
machen sollten. In den grösseren Städten entstanden die Domschulen,
denen allgemein eine höhere Bedeutung beigemessen wurde. Diese wurde auch
von Karl dem Großen weitgehend gefördert. Daneben entwickelten sich
die Stiftsschulen, als eine Art der Domschulen bei denen die Geistlichen nach
dem Vorbild der Klöster zusammenlebten. 802 schuf Karl der Große eine
Art Schulpflicht, indem er per Vorordnung alle Eltern aufforderte, ihre Kinder
zur Schule zu schicken. Im selben Jahr forderte er von den Pfarrern durch das
Lehren der lateinischen Glaubensformeln und der Gebote, die Heranbildung von
Schülern zu Meßdienern und Sängern für die Gottesdienste.
Dies hielt aber nicht allzulange an. Am dauerhaftesten waren die Domschulen.
die wie die Klosterschulen ausschliesslich der kirchlichen Erziehung dienten.
Die Pfarrschule verfielen nach dem Tode Karls des Großen und so blieb es
bis ins 12. Jahrhundert.
Das Aufkommen des Schulwesens in Sachsen war eng mit dem
Erstarken der Kirche verbunden, allein der Einfluß der Klöster
war hier weit geringer als im Rest Deutschlands. Dies war dadurch bedingt,
daß die Entstehung der Klöster in eine Zeit viel, als die
Blütezeit des Klosterwesens bereits vorüber war. Grossen
Einfluß hatten die Augustiner Chorherren, die unter anderem
1205 die Klosterschule zu St. Afra in Meißen und 1212 die Schule zu St.
Thomas in Leipzig gründeten. In ihr wurden weltliche Knaben zu Kapellknaben oder Ministranten erzogen.
Bis 1420 finden sich in Sachsen nur dürftige Anfänge eines Schulwesens.
Dies änderte sich erst allmählig durch die Gründung von Klöstern,
die das Christentum unter den zahlreich vorhandenen Heiden verbreiteten. Eine
vermehrte Errichtung von Schulen erfolgte nicht vor dem 13. Jahrhundert. Allein
in 19 Ortschaften in Sachsen sind vom Ende des 12. bis Ende des 14. Jahrhunderts
Schulen anzutreffen. Alle diese Ortschaften waren schon damals Städte, außer
dem nicht in einer Stadt ansäßigen Kloster Geringswalde. Von diesen
Schulen wurde nur eine im 12. Jahrhundert gegründet - die Schule am Dom
zu Meißen, deren Gründung in das Jahr 1183 fällt. Sie gilt als
die älteste sächsische Schule und damit als Ausgangspunkt des kirchlischen
und klerikalen Lebens in Sachsen. Sechs Schulgründungen fallen in das 13.
Jahrhundert - die Schule am Afrastift zu Meißen (1205), St. Thomas zu Leipzig
(1212, die Stiftsschule Bautzen (1218), die Stiftsschule Wurzen (1227), die Nonnenklosterschule
zu Geringswalde (1247) und die Schule in Zwickau (1291). Von den im 14. Jahrhundert
auftauchenden Schulen standen vier unter rein städtischer Verwaltung - die
Kreuzschule zu Dresden (1300), die Schule in Zittau (1310), in Löbau (1359)
und die Schule in Chemnitz (1399). Zwei Schulen standen unter dem Patronat des
Stadtrates und des Deutschritterordens - Reichenbach (1315) und die Schule in
Plauen (1319). Die Schule in Freiberg (1352) unterstand einem Pfarrer, die beiden
Schulen zu Zwickau (1379) und Pegau (1379) unterstanden einem Kloster und die
Schule zu Bautzen (1331) gehörte zu einem Stiftskapitel. Bei fünf weiteren
Schulen ist nicht genau nachvollziehbar, ob es sich um Pfarr- oder Stadtschulen
handelte - Lößnitz (1304), Pirna (1317), Grimma (1357), Oschatz (1367)
und Bischofswerda (1392). Zwei waren Judenschulen - Meißen (1320) und Leipzig
(1325). Außer den beiden Schulen, St. Afra zu Meißen und die Thomasschule
in Leipzig, ist das Gründungsjahr nicht hundertprozentig bestimmbar. Die
angegebenen Jahreszahlen fallen mit der ersten urkundlichen Erwähnung der
jeweiligen Schule zusammen. So kann angenommen werden, daß einige Schulen
schon einige Jahre vorher existiert haben.
Hohe Ziele hatten sich diese Schulen nicht gesteckt.
Das sogenannte Trivium und Quadrivium wurde in der Zeit des 12. bis 14. Jahrhundert
alleinig an den höheren Dom- und Klosterschulen und an den Universitäten gelehrt.
Noch um 1500 wird die Elbgegend und die Gegend um Leipzig eine barbara
tellusoder barbaricus albis genannt. Am 1.
Juli 1358 können
von 13 Mitgliedern des Domstiftes zu Meißen
fünf, darunter
der Großprobst, der Kantor und der Archidiakon eine Urkunde mangels Schreibkenntnissen
nicht selbst unterschreiben. Damit konnte von einem ordentlichen Elementarunterricht
kaum die Rede sein. Unter einer Klosterschule verstand man damals die Unterweisung
der Novizen durch die Novizenmeister in den Klosterregeln, im Offizium, im Gesang
und im Gebrauch der Zeichen des Ordens unterrichtet. Nach außen hin war die Schule
geschlossen und damit für Außenstehende nicht zugänglich. Also wenig vergleichbar
mit dem heute definierten Begriff Schule. Im 14. Jahrhundert waren drei Gruppen
von Schülern zu unterscheiden - die pueri oder parvuli Knaben, die
Scholaren (scolares) und die Chorschüler (chorales).
Diese drei Gruppen mögen in Einrichtungen unterrichtet worden sein, die
den späteren Volksschulen ähnlich waren, aber diese Schüler waren meist
junge erwachsene Leute, die rein klerikale und kirchliche Aufgaben erfüllten.
An der Spitze jeder Schule stand ein scolasticus,
der ausschließlich den äußeren
Schulbetrieb leitete. Die einer Siftsschule vorgesetztem Kanoniker (die Mitglieder
eines Domkapitels) nannte man im 11. und 12. Jahrhundert magister
scolarum. Seit dem 13. Jahrhundert werden auch sie scholasticus genannt.
In Meißen dagegen wird in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts ein und
dieselbe Person mal scholasticus mal schulmeistir genannt.
Die
scholastici waren durchweg Domherren und gehörten
damit zu den Hauptwürdenträgern eines Domstiftes. Er hatte alles anzuordnen,
was die Schule betraf, besonders die Anstellung und Entlassung des Lehrpersonals,
des rector oder magister puerorum
et scolarium. Ihm oblag die Annahme oder Zurückweisung der nicht kanonischen
Schüler, die Beaufsichtigung und Visitation der Schule, die Leitung der Prüfungen
und die Erteilung der Reifezeugnisse an die jungen Kanoniker zur Erlangung der
niederen Weihen (ordines minores). Er hatte auch die
Oberaufsicht über alle in den Stiften und Pfarrkirchen der Diözöse bestehenden
Schulen. Die Hauptarbeit für die Schule fiel den eigentlichen Lehrern zu, deren
erster der magister scolarium oder schulmeistir war,
ein Name, der nur den Lehrer, nicht den Leiter der Schule bezeichnete. Neben
ihm stand der Kantor und eventuell ein oder zwei Gehilfen (locati).
Im Gegensatz zum scholasticus, waren alle nicht dem
Klerus angehörigen Leute nur auf Zeit, meist mit vierteljähriger Kündung angestellt
und konnten so jederzeit entlassen werden. Der Unterricht war von Schule zu Schule
sehr unterschiedlich, trotz allem aber an den Domschulen sehr dürftig - Lesen,
Schreiben, Singen, Auswendiglernen des zum Gottesdienst Nötigen und etwas Latein.
Auf dem Chore hatten die Schulrektoren auf ordnungsgemäßes, sittsames Benehmen
ihrer Schüler zu achten und das Fehlen sowie das nachlässige Singen zu verhüten.
An diesen Verhältnissen änderte auch die Gründung der Universität
Leipzig im Jahre 1409 nicht viel. Sie blieb vielmehr über lange Zeit die
Hochburg des alten Schulbetriebes. Erst der Humanismus brachte tiefgreifende
Veränderungen. Da war
zunächst der Frühumanismus, der das Latein säuberte, dann der
Hochhumanismus, der das Griechische nach Deutschland brachte, und letztendlich
der Späthumanismus, der ausschließlich in der Ausbildung des rein
formalen Bildungszieles seine Aufgabe sah. Die Universität Leipzig widerstand
diesen Änderungen,
aber nur bis zu dem Zeitpunkt, als 1502 im Kurfürstentum die Universität
Wittenberg gegründet wurde. Mit dem Eintreten von Melanchthon in die Universität
Wittenberg im Jahre 1518, nahm der Humanismus seinen grossen Aufschwung. Aber
gerade die Ablehnung der Humanisten in Leipzig war für das sächsische
Schulwesen von großer Bedeutung. Die Humanisten zogen sich von Leipzig zurück,
gingen als Schulrektoren in die verschiedensten Städte des Landes und zogen
so junge, vielversprechende Kräfte an sich.
Es gilt als Luthers Verdienst, in das Schulwesen eine Einheitlichkeit gebracht
zu haben. Melanchthon selbst drückte der Humanistenschule seinen Stempel
auf. Das Bestreben der Reformation ging in die Richtung, die Schulen immer mehr
unter staatliche Aufsicht zu stellen und im ganzen Lande einen einheitlichen
Lehrplan zu schaffen. Ein Mittel zur Durchsetzung dieser Ziele fanden sich in
den 1524 beginnenden Visitationsreisen, die sich bis zum 30jährigen Krieg
regelmäßig
stattfanden. In dem im Jahre 1528 an die Teilnehmer ausgehändigten Visitationsbüchlein
stand im Abschnitt 18, wie in den Städten des Kurkreises die Schulen einzurichten
sind. Dieser Abschnitt kann als erste Schulgesetzgebung in Sachsen gelten. Bestätigt
wurde diese durch die "Newen Landesordnunge vom 21. Mai 1543", die
von Herzog Moritz nach der Gründung der Fürstenschulen erlassen wurde. Die
drei ersten Rektoren Rivius, Fabricius und Adam Sieber haben dem Schulleben Sachsens
für lange Zeit die Richtung gegeben. Mit diesem Zeitpunkt beginnt der zweite
Abschnitt der sächsischen Gymnasialgeschichte, die bis 1847 dauerte. August I.,
der Bruder von Herzog Moritz, erließ 1580 eine Schulordnung, in der alle
bis 1579 erlassenen Verordnungen zusammenflossen. In ihr wurden die Stadtschulen
unter die Aufsicht der Geistlichkeit gestellt, die wiederum den Konsistorien
(den Kirchenräten - 1537 in Wittenberg, 1545 in Meißen, 1550 in Leipzig begründet),
später dem Oberkonsistorium in Dresden, daß 1602 errichtet wurde, unterstanden. Lehrplan,
Lehrziel und Lehrbücher wurden für das ganze Land einheitlich geregelt.
Neben den Lateinschulen tauchten seit dem 16.Jahrhundert auch die sogenannten
deutschen Schulen auf. Sie gehen auf die Zeit zurück, in der das Städtetum
erstarkte, der Handel aufblühte und sich die Rechtssprechung und die Verwaltung
erhoben. Da musste die deutsche Sprache auch in den niederen Kreisen eine größere
Rolle spielen. Die ersten Anzeichen hierfür sind in den Hansestädten
zu finden, da in ihnen der Handel und der Reichtum stark vertreten war. Bis zur
Reformation war davon aber in Sachsen nichts zu spüren. In enem Brief an Johann
Acricola vom 18.April 1526 schrieb Luther von einer schola
vernacula instituenda. In verschiedenen Kirchenordnungen, wie z.B. in
der Braunschweigischen von Buchenhagen, finden sich Abschnitte, wo von den "dudeschen
jungen scholen" geschrieben wird.
Damals existierten zwei Definitionen
einer Deutschen Schule. Die erste unter dem Einfluß von Luther und Melanchthon,
wo unter einer deutschen Schule eine Mädchenschule unter der Leitung eines deutschen
Schulmeisters verstanden wurde. In der Lipper Kirchenordnung hieß es dazu: "Man
muß auch deutsche Schulmeister halten in Sttädten und Dörfern für die jungen
Mädchen, um Schreiben, Lesen und den Katechismus neben anderen guten Zuchten
zu lehren". Noch 1538 versuchten die Visitatoren in Freiberg die
deutschen Knabenschulen zu unterdrücken.
Eine zweite Definition entstammt der Dresdner Visitation von 1539.
Hier wurde bestimmt "ein
Rat sol auch vorordnen, das tzwo deutsche Schulen, eine vor die Mandtlein, die
andere vor die Kneblein bestellt und durch sie versorget werde".
In Chemnitz ist bei derselben Visitation bereits eine deutsche Knabenschule zu
finden. Einzig die Verhältnisse liessen an diesen Schule zu wünschen übrig.
Der Schulmeister bezog mit ca 10 Gulden, finanziert aus dem von den Mädchen
und Jungen gezahlten Schulgeld, ein mehr als bescheidenes Gehalt. Weitere Einnahmequellen
der Schulmeister waren die Gebühren aus den Amtshandlungen des Glöckners
oder des Kantors, die von ihm nebenher bedient wurden. In Leisnig, Wittenberg
und Zwickau wurde nach der Reformation der "gemeine Kasten" eingerichtet,
in den die Einnahmen der Kirche flossen und aus dem die Ausgaben für die
Kirche und die Schule bestritten wurden. Die Verwaltung des gemeinen Kasten lag
in den Händen des Stadtrates. Ihm unterstanden auch die deutschen
Schulen. An ihn wandten sich die "konzessionierten" Schulmeister ,
wenn ihnen die zu dieser Zeit auftauchenden Privatschulen den Verdienst schmälerten.
Die Klagen über diese "Winkelschulen", deren Erstarken besonders
der Dreißigjährige Krieg förderte, wurden immer häufiger.
Waren an den Lateinschulen meist studierte Lehrer angestellt, so fanden sich
an diesen deutschen Schulen mitunter auch Schreiber, Rechenmeister, Stuhlschreiber
oder Küster.
Viele dieser Erscheinungen waren zur damaligen Zeit auch in Plauen zu finden.