Unter Vogtland verstand man früher die Gegenden in den oberen Flussgebieten
der Saale, Elster und Mulde. Seinen Namen, terra advocatorum, hat es erhalten
von den Herren von Weida, Gera und Plauen, die sich advocati nannten. Zum
ersten Male begegnen wir diesem Namen in einer Urkunde vom Jahre 1209. Ausser
dem sächsischen Vogtlande umfasste dies Gebiet die beiden Reussenländer,
Stücke von Weimar und Altenburg sowie die weitere Umgebung von Hof,
das sogenannte Regnitzland. Uns wird in der Hauptsache nur der sächsische
Teil beschäftigen, besonders der Bezirk der Ephorie Plauen, doch werden
wir öfters mit den genannten Gegenden in Berührung kommen.
Nach
allgemeiner Annahme war unsere Gegend in den ersten Jahrhunderten christlicher
Zeitrechnung von Germanen bewohnt, dem Volke der Hermunduren, vor denen
vielleicht helvetische Volksstämme hier sesshaft waren. In
der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts traten in Folge der grossen Völkerverschiebung,
die mit der Völkerwanderung begonnen hat, an Stelle der Germanen slavische
Völkerschaften. Hier liessen sich die Sorbenwenden nieder. Sie bewohnten
zunächst die grösseren und weiteren Flusstäler, wobei sie
den zurückgelassenen Spuren der Germanen folgten, und stiegen dann
empor in die engeren Flusstäler, während das höhere Gebirge
eine Waldwildnis blieb, die erst durch germanische Einwanderung erschlossen
werden sollte.
Schon Karl der Grosse versuchte, wenigstens teilweise, slavische
Völker
besonders zur Sicherung der Landesgrenze in sein Machtbereich zu ziehen.
Er hat damit ein Werk begonnen, das erst einige Jahrhunderte später
durch die Deutschen vollendet worden ist. Unter seinen Nachfolgern erlahmte
aber wohl in Folge der inneren Wirren der Eifer für die Unterwerfung
der Slaven. Erst 100 Jahre später machte dieselbe und zugleich die
Germanisierung dieser Gebiete grössere Fortschritte. Das betraf auch
die Gegenden zwischen Saale und Elbe. Die deutschen Könige aus dem
sächsischen Hause waren es, die diese Gebiete für das Deutschtum
zu gewinnen suchten, Heinrich I. und nach ihm sein noch grösserer Sohn
Otto der Grosse.
Das eroberte Land wurde in Marken eingeteilt, die Gebiete
zwischen Saale, Elbe und Mulde in die Marken Zeitz, Merseburg und Meissen.
Die Zeitzer Mark umfasste den südlichen Teil, die Gegenden von der
Saale und Schwarza bis an das Waldgebiet der Zwickauer Mulde. Sie zerfiel
wieder in kleinere Bezirke, deren Grenzen und Namen meist identisch waren
mit denen der alten slavischen Gaue, manche sehen in ihnen die sogenannte
Burgwarde, d. h. die kleineren Bezirke, in deren Mitte die Burgen lagen,
die Stützpunkte
deutscher Macht. Im Gebiete des alten Vogtlandes gab es den Gau Sarowe mit
den Untergauen Dobna, Zwickowe, Geraha. Im Süden kommt noch in Betracht
der Radenzgau mit dem Regnitzlande.
Dass mit der Kolonisierung und Germanisierung
der slavischen Gebiete die Christianisierung Hand in Hand gehen müsse,
das war den deutschen Fürsten
von Anfang an klar. Nur das Christentum konnte die Gegensätze der beiden
Volksstämme überbrücken und den Widerstand der Slaven
brechen. Die Frage der Verschmelzung der Slaven mit dem deutschen Volke
konnte nur durch Einführung der christlichen Religion gelöst werden.
Darum hatte auch schon Karl der Grosse den Bischof Bernwelf von Würzburg
veranlasst, im Lande der Slaven 14 Kirchen zu bauen, damit das Volk Orte
hätte, wo es die Taufe empfangen und die Predigt hören könne.
Erst 820 wurde durch den Bischof Wolfger der Bau dieser Kirchen vollendet,
die dann durch Ludwig den Frommen reich dotiert wurden. Unsere Gegend kam
mit diesen sogenannten Slavenkirchen nicht in Betracht. Es lagen dieselben
im Gebiete des Mains und der Rednitz. Die am weitesten nach Norden vorgeschobene
der 14 Slavenkirchen soll die Martinskirche in Bamberg gewesen sein.
In unsrer
Gegend setzte die Kolonisierung durch Germanen erst später
ein, und daher hat auch das Christentum erst später hier festen Fuss
gefasst. Die Christianisierung ging in der Hauptsache von drei Bistümern
aus, im Süden von Regensburg, im Südwesten von Bamberg und im
Osten und Norden von Naumburg-Zeitz, zu dessen Sprengel der grösste
Teil des Vogtlandes gehörte. Den geringsten Anteil hatte Regensburg,
zu ihm gehörte die südliche Spitze mit den Orten Landwüst,
Brambach, Markneukirchen, Schönberg. Es kommt für uns nicht weiter
in Betracht, mehr noch Bamberg. Es wurde 1007 auf der Kirchenversammlung
zu Frankfurt von Kaiser Heinrich II. zu dem Zweck begründet, „ut
paganismus slavorum inibi destrueretur”. Sein erster Bischof
war des Kaisers Kanzler Eberhard, sein Gebiet wurde meistens dem bereits
741 gegründeten Bistume Würzburg entnommen. Sein Krummstab reichte
auch ein Stück ins heutige Vogtland hinein. Die Grenzlinie geht ungefähr über
die Dörfer Posseck, Bobenneukirchen, Grobau, Misslareuth, in der Hauptsache
das Gebiet, in dem die Streitpfarreien liegen.
Den Hauptanteil aber hatte
Naumburg, zu dessen Gründung Otto I. die
Anregung gegeben hat. 968 beschloss er, den bischöflichen Stuhl von
Magdeburg in einen erzbischöflichen umzuwandeln und ihm die drei Bistümer
für den limes sorabicus d. h. für die Völker des slavischen
Grenzgebietes zwischen Elbe und Saale, „deren Bekehrung zu Gott vollbracht
oder zu erwarten steht,” Merseburg, Zeitz und Meissen zu unterstellen.
Zum 1. Bischofe von Zeitz wurde Hugo ernannt. Da aber dieser wenig befestigte
Ort den feindlichen Einfällen zu sehr ausgesetzt war, wurde der Bischofssitz
unter dem 4. Bischofe Hildeward 1029 in das besser befestigte Naumburg
verlegt, hart an die Grenze des deutschen Sprachgebietes, weshalb das Bistum
späterhin den Doppelnamen Naumburg-Zeitz führte.
Der ganze Sprengel
zerfiel in 4 Bezirke: Präpositura Cicensis, präpositura
Naumburgensis, archidiaconatus Plisnensis und archidiaconatus trans Muldam.
Die Grenzen der alten Gaue wurden dabei möglichst beibehalten. Zur
Zeitzer Präpositur, die am ausgedehntesten war, gehörte fast das
ganze Vogtland, während die Gegend um Reichenbach als Gau Milin
wahrscheinlich zum Archidiakonatus Plisnensis gehörte, denn als Zeuge
bei der Einweihung der Reichenbacher Kirche wird ein Henricus magister et
in Plisna archidiaconus erwähnt.
Wenn zur Bildung eines christlich-kirchlichen Wesens in den eroberten Gebieten
durch Gründung der drei genannten Bistümer um das Jahr 1000 der
Grund gelegt wurde, so
brauchte es immerhin noch geraume Zeit, bis das ganze Vogtland christianisiert
oder wenigstens mit Kirchen genügend besetzt und kirchlich versorgt war.
In der Tat begegnen wir Kirchenweihen und Gründungen einzelner Gemeinden
in unserer Gegend erst später. Und auch diese sind, wie wir sehen werden,
erst allmählich vor sich gegangen, von wenigen grossen Parochien haben
sich nach und nach bis hinein in das 14. ja 15. Jahrhundert kleinere losgelöst.
bis das Bild der Ephorie entstand, wie es uns die Zeit der Reformation zeigt,
und es im ganzen und grossen auch heute noch ist.
Als älteste Kirche des alten Vogtlandes gilt die 974 zu Weida erbaute
St. Veitskirche. In unserm Gebiete kommt es erst später zum Bau von
Kirchen und damit auch zur Bildung von Parochien.
Wenn man einer von manchen Forschern zwar in ihrer Echtheit bezweifelten
Urkunde Dietrichs I. von Naumburg Glauben schenken darf, so hat als älteste
Kirche des heutigen Vogtlandes die von Reichenbach zu gelten. Nach der genannten
Urkunde soll Bischof Günther von Naumburg zu Reichenbach eine aus Holz
errichtete Kirche, die später von Steinen erbaut wurde, geweiht haben.
Da Günther 1090 starb, wäre die Gründung Ausgang des 11.
Jahrhunderts anzusetzen. Durch feindlichen Einfall aber wurde diese Kirche
wieder zerstört, ein Beweis, wie wenig sicher noch damals die Verhältnisse
im Vogtlande waren. 1140 baute sie Bischof Udo wieder auf und weihte sie
zu Ehren der heiligen Maria und der Apostel Petrus und Paulus, daher die
Reichenbacher Hauptkirche heute noch Peter-Paulskirche heisst.
Die betr.
Urkunde gibt uns auch die Grenzen der neugegründeten Parochie
an. Da heisst es: "Die Namen aber der Dörfer. die im Bezirke der
Kirche zu Reichenbach liegen, sind folgende: Reichenbach, Hainsdorf, Hauptmannsgrün,
Irfersgrün, Pestelsgrün, Waldkirchen, Plohn, Röthenbach,
Abhorn, Schönbrunn, Schneidenbach, Weissensand, Rotschau, Foschenroda,
Lambzig, Netzschkau, Mylau." Diese Dörfer sollen Täufe, Begräbnis
und andere kirchliche Handlungen in Reichenbach suchen und auch dahin
zehnten. Wenn es dann weiter heisst, dass niemand innerhalb dieser Grenzen
ohne Zustimmung des Pfarrers, des plebanus sacerdos, Kirchen oder Kapellen
bauen oder weihen dürfe, und dass, falls sie errichtet würden,
sie der Mutterkirche zu Reichenbach untertan sein sollten, so lässt
das darauf schliessen, dass noch nirgends im Bezirke Kapellen bestanden
haben.
Zu diesem grossen Kirchspiele, aus dem später einige kleinere
sich bildeten, gesellte sich einige Jahrzehnte später eine noch grössere
Parochie, die von Plauen. Ihr Stiftungsbrief, der auf Befehl Kaiser
Heinrichs V. vom Bischof Dietrich von Naumburg im Jahre 1122 ausgestellt
worden ist, ist noch im Sächsischen Haupt-Staatsarchive vorhanden und
eine der ältesten und wichtigsten Urkunden des Vogtlandes. Nach ihr
hatte Graf Adalbert von Everstein, dessen Geschlecht aus Westfalen stammte,
und der den Gau Dobna vom Reiche zu Lehen trug. auf Ermunterung des Bischofs
zur Vergebung seiner Sünden für den Gau Dobna eine Kirche in Plauen
erbaut zu Ehren der Jungfrau Maria und des Täufers Johannes, woher
sie heute noch Johanniskirche heisst. Er hatte sie auch dotiert mit einer
Hufe Landes im Dorfe Chrieschwitz und mit dem halben Ertrage seiner eigenen
Elstermühle, sowie mit Feldern, Wiesen und einem Stück Wald in
der Ortschaft Plauen. Auf seine Verwendung hin hatte auch der Bischof auf
den ihm aus dem Gau zukommenden Zehnten zugunsten der neuen Kirche verzichtet.
Als Geistlicher wurde der Priester Thomas eingesetzt, ein Mann reich an
Wissen und sittlich ohne Tadel, der die Bewohner des Gaues aus dem Heidentume
heraus zum Wege der Wahrheit leiten sollte. Also muss das Vogtland noch
zu Anfang des 12. Jahrhunderts wesentlich heidnisch gewesen sein. Im Stiftungsbriefe
wurden auch die Grenzen des neuen Kirchensprengels bestimmt, die in der
Hauptsache wohl mit denen des Dobna-Gaues zusammen fielen. Die Deutung der
in der Urkunde gebrauchten Ortsnamen hat viele Schwierigkeiten gehabt.
Die Grenze ist ungefähr folgende gewesen: Die Grenzlinie, gebildet
von Flüssen und Höhenzügen, beginnt südlich von Elsterberg
bei der Mündung des Baches Trieb in die Elster und verläuft an
der Trieb und dem Treuenschen Wasser entlang bis zum östlichsten Punkte
Auerbach, sodann südlich zumeist in Flusstälern, in fast gerader
Linie über Falkenstein nach Erlbach, wo sie sich nach Westen wendet,
entlang des Floss-, Tetterwein- und Triebelbaches zur Kemnitz, bei Grobau
erreicht sie den westlichsten Punkt, von wo sie rechtwinklig nach Norden
geht, abwärts die Wisental bis Pausa, von dort die Frotscha und den
Triebisch-Bach entlang bis zur Trieb. Es wurde dadurch ein Gebiet umschlossen,
in dem heute etwa 40 Parochien sich befinden. Wie schon bei der Stiftung
der Reichenbacher Kirche wurde auch hier bestimmt, dass alle innerhalb des
Gaues Wohnenden den Zehnten vorschriftsmässig dem Priester Thomas und
seinen Nachfolgern an der Kirche zu Plauen abgeben sollten. Auch sollte
niemand ohne Erlaubnis des Dechanten Kirchen bauen oder weihen lassen, und,
wo eine gebaut werde, so solle sie der Mutterkirche Gehorsam leisten.
So
war der Hauptteil des heutigen Vogtlandes kirchlich versorgt, wenigstens
soweit es bei der damaligen spärlichen Besiedelung durch Deutsche notwendig
erschien und bei dem geringen Fortschritte, den die Christianisierung der
heidnischen Sorben gemacht hatte, möglich war. So gross aber auch die
beiden Kirchensprengel von Plauen und Reichenbach waren, so umfassten sie
das heutige Vogtland noch nicht ganz. Auch einige Stücke der Diözese
Plauen lagen noch ausserhalb der gezogenen Grenzen, so die südwestliche
Seite, das Gebiet der Streitpfarreien; dann die westliche Seite, die Gegend
von Mühltroff, und endlich die nördliche um Elsterberg und Neumark.
Wie
schon erwähnt, stand der südwestliche Teil unter dem Bistum
Bamberg. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass auch von dort aus die
Christianisierung erfolgt sein wird. Als älteste Kirche im Regnitzlande
gilt die St. Lorenzkirche zu Hof. Urkundlich wird sie zwar erst 1214 erwähnt.
Jedenfalls aber hat sie schon vorher bestanden. Man nimmt an, dass sie
gegen Ende des 11. Jahrhunderts erbaut worden sei. Aus verschiedenen Urkunden
späterer Zeit, so aus dem Höfer Landbuche und Lindners Kirchenordnung
um 1500, aus dem burggräflichen Kirchensystem um 1440 und aus dem Erbbuche
des Amtes Vogtsberg nach 1500 ist ersichtlich, dass Hof in kirchlichen Beziehungen
zu den Orten südlich der Linie Eichicht, Posseck, Bobenneukirchen,
Grobau und Misslareuth stand. Da heisst es von diesen Orten, dass sie von
der St. Lorenzkirche zu Lehen gehen. Es hatte der Pfarrer von Hof über
die dort befindlichen Pfarreien die Kollatur. So werden erwähnt Gefell,
das bis 1815 noch zur Ephorie Plauen gehörte, Sachsgrün, Eichigt,
Wiedersberg, Krebes, Kemnitz und Misslareuth. Auch mussten die Bewohner
dieser Gegend den sogenannten Pfaffenscheffel nach Hof entrichten, der diese
Pfarrei zur reichsten des Bistums Bamberg machte. Was Fischer in seiner
Geschichte über Einführung des Christentumes in Bayern von
Hof sagt, dass es als die Pflanzstätte des Christentums im ganzen Regnitzlande
anzusehen und die Mutter vieler Töchter geworden sei, das gilt auch
für die südwestliche Ecke des Vogtlandes, die in kirchlicher Beziehung
vom Anfang an wohl zu Hof gehörte und einen Bestandteil dieser ehemals
grossen Parochie bildete.
Anders wurde es nun im Vogtlande im Laufe des 13.
Jahrhunderts. Je
mehr die Unterwerfung der Sorben Fortschritte machte, und je sicherer dadurch
die Verhältnisse in unserer Gegend wurden, umsomehr nahm die Kolonisierung
deutscherseits zu. Mit dem 12. Jahrhundert begann die Einwanderung
deutscher Bauern in den Gegenden zwischen Elbe und Saale und die Umwandlung
eines Landes zuerst nur deutscher Herrschaft in ein Land deutschen Lebens
und deutscher Sitte und damit zugleich deutscher Kirchlichkeit. Vier Volksstämme
waren es, die besonders beteiligt waren bei der Besiedelung, am frühesten
die Sachsen, später die Thüringer und Franken
und zuletzt am bedeutendsten die Bayern. Es wurden dabei nicht nur die
alten Sorbendör£er, die zum Teil infolge des Unterwerfungskampfes
verlassen und verödet waren, wieder angebaut oder auch vergrössert,
es bildeten sich auch neue Dörfer mit deutscher Anlage und reindeutschem
Namen.
Infolge der zunehmenden Besiedelung war der alte kirch-liche Zustand,
diese wenigen grossen Parochien mit einigen Kapellen, die vom Pfarrer der
Mutterkirche mit versorgt wurden, unmöglich geworden. Die im Laufe
eines Jahrhunderts bekehrten Sorben und die christlichen deutschen Siedler
wollten oder mussten kirchlich versorgt werden.
Dass dieser Wunsch nach kirchlicher Versorgung auftauchte, zeigt uns
ein Streit der Reichenbacher Parochianen mit ihrem Pfarrer. Bei dem grossen
Umfange der Parochie war es ihm nicht mehr möglich, den Anforderungen
der Gemeinde ohne Gehilfen zu genügen. Aber er weigerte sich, auf diese
Weise die Gemeinde zu befriedigen. Es entstand ein Streit, den endlich der
Bischof in der Weise entschied, dass „eine” Priesterzahl genüge,
die Sakramente zu reichen und täglich eine Messe zu lesen. Filialkirchen
dürften dem Parochialrechte keinen Abbruch tun, und es könnten
die Parochianen von der Verbindlichkeit, alle Sonn- und Festtage die Mutterkirche
zu besuchen, nicht entbunden werden. Wollten sie aber für Betstunden,
Taufen und Begräbnisse residierende Priester haben, so müssten
sie auch für gehörigen Unterhalt sorgen. Diese Entscheidung wurde
noch Ende des 13. Jahrhunderts gegeben. So schienen die kirchlichen Organe
selbst einer kirchlichen Weiterentwicklung entgegenzusein. Jedenfalls besorgte
man von seiten der Kirche eine Schwächung der Pfarr-Einkünfte.
Aber dadurch wurden Neugründungen von Kirchen und Kapellen und Bildungen
von kleineren Kirchgemeinden, die sich von den grossen Sprengeln loslösten,
nicht aufgehalten. Mehrfach erscheinen auch die Grund- und Gutsherren als
Kirchengründer oder wenigstens als Kirchenstifter, d. h. sie dotierten
die schon vorhandenen Kapellen und machten sie damit selbständig, so
war dies der Fall bei Posseck und Bobenneukirchen durch die Herren von Reitzenstein,
Anfang des 14. Jahrhunderts, zu gleicher Zeit in Pöhl durch die Herren
von Pöhl, um 1400 in Kloschwitz durch einen Friedrich Klöschel,
in Reuth durch die Herren von Geilsdorf, in Mühltroff und Geilsdorf
Am frühesten hat wohl der alte
Dobnagau-Kirchensprengel Veränderungen
erfahren, indem sich Oelsnitz auspfarrte. Ein Plebanus von Oelsnitz wird
bereits 1225 erwähnt.Von Raab, in seiner Schrift: Schloss und Amt Vogtsberg,
nimmt an, dass die Oelsnitzer Kirche bald nach der von Planen, also etwa
Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden sei, vermutlich auf Veranlassung der
mit den Vögten
von Weida und Plauen verwandten Herren von Strassberg, in deren Besitz der
Bezirk Oelsnitz gekommen war, und den sie auch vom Grafen Everstein zu Lehen
trugen. Daher erklärt es sich auch, dass s. Zt. Oelsnitz dem deutschen
Orden nicht mit gegeben wurde. Späterhin ist es die Mutter mehrerer
Parochien geworden, so von Marieney, Arnoldsgrün, Bösenbrunn,
vielleicht auch von Schwand, über das es die Kollatur früher besass.
In ähnlicher Weise änderte sich die Ostgrenze durch Bildung
neuer Kirchspiele in Schöneck mit den erst später zu Kirchorten
gewordenen Dörfern Wohlbach, Zwota, Klingenthal, Untersachsenberg,
Georgenthal, in Falkenstein mit Bergen und Werda, in Treuen, das schon
1214 eine Kirche hatte, mit Lengenfeld, in Auerbach mit Carlsfeld, Schönheide,
Rautenkranz, Rothenkirchen, Stützengrün, Rodewisch.
Auch im Norden trat eine Veränderung ein. Dort hatte sich noch ausserhalb
des Dobna-Sprengels eine Parochie gebildet, nämlich Elsterberg, vermutlich
Anfang des 13. Jahrhunderts durch Vermittlung der Herren von Lobdaburg
auf Elsterberg. Sie hatte sich hineingeschoben zwischen Plauen und Reichenbach
und jedenfalls ein Stück des Plauener Sprengels in Besitz genommen;
von ihr aus wurden dann die Filialen Syrau, Ruppertsgrün, Limbach,
Steinsdorf und Fröbersgrün gegründet.
Fast um dieselbe Zeit hatte sich ebenfalls nördlich vom Dobna-Gau
ein neuer Kirchensprengel gebildet, der von Neumark. 1225 schon wird der
Dechant Gerwich von Neumark erwähnt, und 1285 ein plebanus de novo
foro. Auch diese Parochie war ziemlich umfangreich. Reste seiner ehemaligen
Grösse besitzt Neumark noch in den Patronaten von Schönfels und
Stenn.
Ziemlich früh müssen auch im Reichenbacher Sprengel Gründungen
von Filialkirchen erfolgt sein, denn in der Schenkungs-Urkunde von 1245
werden als Filialkirchen genannt: Mylau, Waldkirchen, Plohn, Röthenbach
und Irfersgrün. Mylau erhielt bereits 1271 auf Veranlassung des Vogtes,
Irfersgrün 1292 auf Bitten der Gemeinde und Plohn-Röthenbach um
1300 einen eigenen Geistlichen.
Um dieselbe Zeit hat auch die kirchliche Versorgung im Westen der Ephorie
in den Gegenden um Mühltroff Fortschritte gemacht. In einer Urkunde
von 1302 wird bereits
ein Hermannus plebanus de Tirbach als Zeuge genannt, und wir dürfen
wohl annehmen, dass auch in Mühltroff als dem alten Rittersitze bereits
um diese Zeit eine Kirche stand, wenn auch urkundlich ein Pfarrer von Mühltroff
erst 1392 erwähnt wird.
Derselbe Vorgang ist auch im Süden der
Ephorie zu beobachten, im Gebiete der Streitpfarreien, das bereits gegen
Ende des 13. Jahrhunderts mit Kirchen und Kapellen besetzt war. So wird
bereits 1289 ein plebanus von Misslareuth erwähnt. Und wenn verschiedene
Kapellen noch keinen eignen Pfarrer hatten, so besassen sie doch propria
baptisteria et sepulturas, d. h. es fanden dort Taufen und Begräbnisse
statt.
So war im Laufe des 13. Jahrhunderts in der Christianisierung
der Sorben und der kirchlichen Versorgung der angesiedelten Deutschen
ein bedeutsamer Schritt vorwärts getan worden; es war nun wenigstens
der Grund gelegt worden, auf dem nun die kirchliche Weiterentwicklung sicher
vorwärts gehen konnte, es waren die Stützpunkte geschaffen worden,
so dass nun mit dem Ausbau, mit der Ausbildung kirchlichen Wesens begonnen
werden konnte. Wenn es nun gelungen ist, in wenigen Jahrhunderten deutsche
kirchliche Sitte und Kultur zu verbreiten und damit das alte heidnische
Wesen zu überwinden, so ist das nicht allein der oft grossen Fürsorge
der Landesherren und mancher vom Adel und der gewiss zumeist treuen Arbeit
der Geistlichen zuzuschreiben. Ihnen trat in dieser Missions- und Kulturarbeit
noch eine andere Kraft wie anderwärts so auch im Vogtlande unterstützend
zur Seite, es war die Mitarbeit der geistlichen Orden und Klöster.
Für
das weitere Vogtland kommen etwa zehn solcher Niederlassungen in Betracht.
Das älteste
Kloster war das Prämonstratenser-Kloster zu Mildenfurth
bei Weida, welches 1209 vom Vogte Heinrich dem Reichen von Weida gegründet
wurde. Nähere Beziehungen zum Bezirke Plauen hatte das von Jutta, der
Gemahlin des Vogtes Heinrich von Gera i. J. 1239 gestiftete Dominikaner-Nonnenkloster
zu Kronschwitz bei Weida. welches reiche Pfründen in Plauen und Umgebung
besass. Von ihm aus vielleicht hat sich später in Plauen ein Regelhaus
von Dominikanerinnen gebildet, woran noch der Nonnenturm erinnert.
Die Haupttätigkeit dieser Schwestern bestand in Krankenpflege, Dienstleistung
für den Haushalt der Dominikaner und im Almosensammeln. Mit Einführung
der Reformation ist diese Niederlassung eingegangen. Vermutlich ist 1536
die letzte Insassin, die sogenannte Stadtnonne, gestorben.
Neben dieser Nonnenniederlassung
besass Plauen noch ein Dominikaner-Mönchskloster.
Es hatte in Oelsnitz, Mühltroff, Zwickau, Gera und Schneeberg
seine Termin-, d. h. Niederlagshäuser. Gegründet war es von Leipzig
aus im Jahre 1266 auf Veranlassung eines wohlhabenden Bürgers Kanis
zu Plauen. 250 Jahre später hat es bei der Einführung der
Reformation ein gewaltsames Ende gefunden.
Im benachbarten Hof gab es je
ein Franziskaner-Mönchsund Nonnenkloster.
Endlich sei eines Klosters
noch gedacht, das reiche Beziehungen zum Vogtlande hatte, das war das Zisterzienser-Kloster
zu Waldsassen, welches bereits 1134 von Eger aus durch den Markgrafen Diepold
gegründet war in der
Überzeugung, dass die Mönche die Urbarmachung des Landes
und die Bekehrung der noch heidnischen Bewohner besser betreiben könnten.
Auch
sogen. Bruderschaften begegnen wir im Vogtlande, es waren Vereinigungen
von Laien, die sich in der Hauptsache mit Kranken- und Armenpflege,
mit allerlei Andachts-Uebungen und mit der Pflege des Chorgesanges abgaben.
Sie hatten sich zu ehrbarem Leben und fleissigem Gang zur Kirche und zum
Sakrament verpflichtet und haben so ganz gewiss zur Hebung und Förderung
kirchlichen Sinnes mit beigetragen. So gab es in Plauen die Bruderschaft
der Kalandbrüder, die sich an jedem ersten Tage des Monats, den Kalenden,
versammelte, ausserdem gab es noch die zum heiligen Leichnam, die des heiligen
Antonius, Skt. Valentins und Skt. Wolfgangs. Sie hatten auch zumeist ihre
eigenen Altäre.
Nach einer Urkunde von 1300 muss es in Plauen auch Beghinen,
eine Art religiöser
Frauenvereine, gegeben haben.
Von grösster Bedeutung aber für das Vogtland wurde ein geistlicher
Ritterorden. Es war der Orden der Deutschherren, auch Marienbrüder
oder Marianer genannt, die einen weissen Mantel mit schwarzem Kreuze trugen
und in ihrem Wappen den schwarzen Adler führten. Vor Akkon 1190 gegründet,
hatte er auch im Vogtlande im Anfange des 13. Jahrhunderts festen Fuss gefasst.
Bedeutung gewann für ihn der Eintritt eines Gliedes der Familie der
Vögte. Wohl dadurch zunächst veranlasst, überliess dieselbe
im Jahre 1224 dem Orden die Kirche zu Plauen mit all ihrem Zubehör
in den Orten des Dobena-Gaues. Dazu erhielt er 1264 noch die Kirche zu Reichenbach,
1270 die von Asch mit Adorf, 1279 die von Tanna und 1284 die von Schleiz.
Damit hatte er die kirchliche Versorgung fast des ganzen Vogtlandes erhalten.
Und unter seiner Führung und Pflege ist es auch kirchlich vorwärts
gegangen. Er hat für Bildung neuer, kleinerer Parochien gesorgt oder
sie wenigstens gefördert. Für jede neugegründete Parochie
behielt er sich das Patronatsrecht vor. Nach einem Verzeichnisse um die
Mitte des 15. Jahrhunderts besass das Ordenshaus Plauen folgende Kirchenlehen:
Pöhl, Altensalz,
Theuma, Würschnitz, Dröda, Planschwitz, Taltitz, Kürbitz,
Rodersdorf und Leubnitz. Daraus darf man schliessen, dass die genannten
Kirchen vom Orden gegründet, bezl. selbständig gemacht worden
sind. Es heisst auch von diesen Pfarreien, dass sie vom Landkomtur zu Lehen
gehen. Daher hat auch heute noch der jedesmalige Oberpfarrer von Plauen
als Nachfolger des Komturs das Patronatsrecht über Altensalz,
Rodersdorf, Strassberg, Theuma, Dröda, Planschwitz, Tirpersdorf
und Unterwürschwitz, und der jedesmalige Oberpfarrer von Reichenbach
als Nachfolger des Komturs von Reichenbach das über Plohn und Röthenbach.
Die Patronate der übrigen Kirchen sind, wie wir schon oben sahen, infolge
von Dotierungen, einige später noch durch Kauf an die betreffenden
Gutsherrschaften übergegangen.
So war nun mit Anfang des 15. Jahrhunderts
das ganze Vogtland wie mit einem Netze überzogen, dessen Maschen im
Laufe von 3 Jahrhunderten immer enger und enger geworden waren. Anstelle
der wenigen kirchlichen Mittelpunkte, jener grossen Parochien, waren infolge
von Neugründungen und Auspfarrungen
eine grosse Anzahl kleinerer Parochien getreten. Damit war nun auch die
Möglichkeit gegeben, die Bewohner intensiver, als es bisher geschehen
war und geschehen konnte, kirchlich zu versorgen.
Aber mit dieser äusseren
hat die innere Entwicklung, die innerliche Aneignung kirchlichen Wesens
nicht allenthalben Schritt gehalten; teilweise ist ein Stillstand eingetreten,
dem später wie anderwärts, um
die Zeit des 15. Jahrhunderts, ein Verfall kirchlichen Wesens und der Sitten
folgte. Wie es um diese Zeit im Vogtlande ungefähr ausgesehen haben
mag, davon geben uns ausser andern Zeugen aus jener Zeit besonders die Protokolle
der Kirchenvisitation von 1529 ein getreues Bild.
Wie schlimm war es darnach
schon um den Stand bestellt, der zunächst
berufen war, die Kirchlichkeit zu pflegen und zu fördern, um den Stand
der Pfarrer. Schon an der rechten Befähigung für ihre Amtsführung
scheint es vielen gefehlt zu haben. Ungefähr ein Drittel von ihnen
hat die Zensur: ungelehrt, ungeschickt, oder auch: ganz ungelehrt,ganz ungeschickt
erhalten. Von dem Geistlichen zu Strassberg heisst es. dass er ein Tuchmacher
gewesen sei, und der Kaplan zu Limbach wurde ohne Bücher befunden.
Infolgedessen darf man sich nicht wundern, dass es von einem Teile der
Pfarrer heisst, dass sie nicht predigten; so war das der Fall in Adorf.
Erlbach, Plauen, Rürbitz, Reichenbach, Pausa und
Burgstein.
Daneben fehlte es vielen auch an der sittlichen Tüchtigkeit,
besonders in puncto sexti. Eine ziemlich oft wiederkehrende Zensur lautet: „Hat
mit verdächtiger Person hausgehalten,” oder „ist in Hurerei
befunden worden”, so die Pfarrer von Posseck, Sachsgrün, Brambach,
Lengenfeld, Ruppertsgrün und Krebes. Vom Pfarrer zu Schönberg
heisst es, dass er Beschwerung gehabt, sich in christliche Ordnung
zu begeben, weshalb ihm auch befohlen wurde, mit einem frommen Manne zu
wechseln.
Da darf es denn auch nicht Wunder nehmen, wenn es in religiöser
und sittlicher Beziehung auch um die Gemeinden schlecht bestellt war. So
wird 1529 mit einer Dorfschaft in der Nähe von Oelsnitz geredet „von
wegen mancherlei Ehebruchs und Gotteslästerung, so vor andern
Orten dasselbige Dorf damit berüchtigt war”. Und dass es auch
in den übrigen vogtländischen Dörfern nicht viel besser gewesen
sein wird, darauf weist eine Aeusserung Luthers in einem Briefe an Spalatin
hin. Er schreibt da: .,Die Visitation gewinnt Fortgang, was müssen
wir da für Elend ansehen, und ebenso arg und noch ärger werden
wir es bei dem ungeschlachten Volk im Vogtlande antreffen." Ja, man
kann es verstehen, wenn auf dem Reichstage zu Worms Herzog Georg von Sachsen
gegen solche Greuel heftig zu Felde zog und, sich bitter beklagend,
seine Beschwerde schloss: „Dass alle Gottlosigkeit von den Geistlichen
komme, die durch ihr ärgerliches Leben die ganze Welt verderbt hätten.”
So
wurde durch die damals herrschenden verwahrlosten Zustände eine
Reformation an Haupt wie an Gliedern gebieterisch gefordert. Und schneller,
als man es geahnt, sollte die Wandlung zum Besseren eintreten.
Man geht wohl
nicht fehl, wenn man die verhältnismässig schnelle
und freundliche Aufnahme von Luthers Lehre teilweise wenigstens zurückführt
auf Nachwirkungen vorreformatorischer Bestrebungen. War doch das Heimatsland
eines Huss nicht allzufern, hatte doch auch gerade das Vogtland viel von
Hussiten zu erfahren bekommen. Ja schon von früheren vorreformatorischen
Bestrebungen sind Spuren im Vogtlande anzutreffen. So wird ein Johannes
Drandorf als ein Hauptvorkämpfer des Waldensertumes im Vogtlande bezeichnet.
Anfang des 15. Jahrhunderts soll er sich auch in Plauen lehrend und predigend
aufgehalten haben. Er wurde 1425 zu Worms als Ketzer verbrannt. Und eine
Bemerkung aus einem Berichte jener Zeit lautet: „Und der Verkehrer
und Winkelprediger seint fast viel vor dem Behemer Walde, besonders um Eger
und in der Vogt Lande.”
Wie anderwärts scheinen auch hier Luthers
Schritten der Reformation vorgearbeitet und bahnbrechend gewirkt zu haben.
Ottel schreibt darüber
in seiner „Zuverlässigen Historie aller Herren Pastoren und Superintendenten
der Kreisstadt Plauen” vom Jahre 1747 folgendes: „Zu der angenehmen
Zeit, da der teure Mann, Dr. Martin Luther, die heilsame Reformation vorgenommen,
war Georg Eulner Comtor des Ordens, und wir haben ihn nicht nur als einen
verständigen und weisen Mann anzusehen, welchen das Licht des Evangeliums
dergestalt erleuchtet, dass er zur Abschaffung der päpstlichen Greuel
alle mögliche Hilfe geleistet, um das Jahr 1521 bereits die evangelische
Lehre befördert, sondern wir haben ihn auch als den ersten evangelischen
Pfarrer zu betrachten.” So hat derselbe Orden, welcher schon zur Durchführung
des Christentums im Vogtlande so viel getan, auch den Anstoss zur Einführung
der Reformation mit gegeben.
Bestimmter noch lauten die Nachrichten über
Einführung der neuen
Lehre von einem andern Mann, der ebenfalls bahnbrechend gewirkt hat Es
war dies ein Dominikaner-Mönch aus Plauen, Georg Raute, welcher, wie
Ottel schreibt, zu derselbigen Zeit gleichfalls vor den Irrtümern
des Papsttums einen Ekel, hingegen Lust zur reinen Lehre des Evangeliums
empfand. In einem Brief an Stephan Roth, den Stadtschreiber zu Zwickau,
vom 2. April 1523 sagt er selbst von sich: „Georg Rauth, aus Gera
gebürtig, einst von der Sekte der Prediger, jetzt ein freier Sklave
Jesu Christi und der Kirche zu Plauen.” Er schreibt auch darin über
seine Tätigkeit: „Das Wort Christi und Christus durch sein
Wort wächst und fängt an zu regieren in unserer Kirche, und das
Königreich des Antichristes fängt an zu wanken gemacht zu werden.
Wir behandeln die göttlichen und heiligen Dinge im Tempel nach Art
und Weise der Gottesdienstordnung in Zwickau.” Wegen seiner Reformationsbestrebungen
scheint Raute jedoch seitens seiner Mitmönche manche Bedrückung
erfahren zu haben, sodass er gern das Kloster verlassen hätte. Er wandte
sich in dieser Sache an den Herzog Johann von Sachsen, welcher ihm durch
Luther im Frühjahr 1524 antworten liess. Luther schrieb ihm: „In
aller Kürze vernimm von mir, dem Vielbeschäftigten. Wenn die Sache
so steht, dass du dort (nämlich
im Kloster) nicht frei und sicher das Wort Gottes bekennen und lehren
kannst und abergläubische Zeremonien und Messen mitzumachen gezwungen
wirst, so ist mein Rat, dass du lieber von dort weg und dahin gehest, wo
du es frei bekennen und nützlich wirken kannst, deinen Widersachern
aber es überlässt, wie sie sich verantworten mögen. So habe
ich auch an den Herrn Nicolaus von Sack geschrieben. Wenn du aber ohne Verletzung
des Gewissens und ohne irgendwie ihre Vorschriften zu befolgen, was freilich,
wie ich glaube, ein unerhörtes Wunder wäre, wenn sie dies duldeten,
bleiben kannst, so bleibe in Gottes Namen. Bete für mich. So viel muss
ich einzelner antworten, daher wundere dich nicht über die Kürze
meines Briefes. Ich bin wahrhaft überladen mit all den Büchern
und Briefen, die ich zu schreiben habe. Gehab dich wohl. M. Luther."
Herzog
Johann liess darauf an den Rat zu Plauen und den Schösser Peter
Wenigel die Aufforderung ergehen, dafür zu sorgen, dass Georg Raute, „der
vom *.Adel und gemeinen Volk, so hinein gegen Plauen gehöre, gern gehöret
werde”, Unterhalt und Anstellung als Prediger in Plauen finde, was
wahrscheinlich Anfang 1525 geschah.
Noch in demselben Jahre wurde ein weiterer
Schritt zur Abschaffung der alten Lehre getan, indem auf Veranlassung des
Amtsschössers Peter
Wenigel das Dominikanerkloster in Plauen, dessen Insassen noch bis
zuletzt mit aller Macht gegen das Evangelium sich gewehrt hatten, behördlich,
vielleicht im Beisein einer aufgeregten Volksmenge, geschlossen wurde. So
wird wohl die vom sogenannten Pirnaischen Mönche, einem Dominikaner,
berichtete gewaltsame Erstürmung und Plünderung des Klosters zu
erklären
sein. Dass das Volk gegen die Mönche aufgebracht war, ist erklärlich.
Man hatte zu klagen über ihre Aufdringlichkeit und Habsucht. In zwei
Urkunden vom J. 1525 finden sich Klagen, dass eine Messe im Predigerkloster
gestiftet worden sei, veranlasst „durch heuchlerische und hinterlistige
Weise”, und dass die Mönche einen Hildebrand Thoss mit ,.gleissnerischen
und heuchlerischen Worten zu einem Testament zu ihren Gunsten beredet haben."
Bald
schien es jedoch, als sollte die Ausbreitung des Evangeliums, die einen
so vielverheissenden Anfang genommen hatte, mit einem Male gehemmt werden
durch den Sturm, welcher mit den Bauernunruhen hereinbrach. Wenn auch unser
Vogtland von den grossen Verwüstungen, wie sie in Thüringen
und Franken geschahen, verschont blieb, so fehlte es doch nicht an Unruhen
und Zusammenrottungen. Einer der Schwarmgeister, Niklas Storch, wandte sich,
nachdem er aus Zwickau ausgewiesen worden war, nach Hof, um dort seine aufrührerische
Arbeit von neuem zu beginnen. So berichtet uns Widmanns Chronik von
Hof: „Es waren auch nicht
wenige Bürger und Handwerksleute, denen des Storchen Grillen und Hundsmukken
von der Austilgung der Obrigkeit und der Aufrichtung einer neuen Freiheit
aller Dinge noch im Kopfe staken, meineten, sie dürften hernach nicht
mehr arbeiten, der Obrigkeit auch keine Steuer und Rente geben, sie würden
alle genug haben und selbst Herren sein, wenn sie der Fürsten und Herren,
Bischöfe und Pfaffen Güter unter sich teileten.”
Aus Marienberg
kamen zwei Bergknappen, Wolf Göftel, und Andreas Ziehner
nach Reichenbach, um dort den Geist der Empörung zu verbreiten. In
Waldkirchen verfassten sie für die Bauern im Vogtlande die Artikel.
Bald sammelten sich grössere Haufen an, die sich in einer Stärke
von etwa 8000 Mann bei der sogenannten Possig bei Plauen lagerten. Als ihre
Hauptleute werden genannt ein Nickel Heydel zum Schwand, ein Nickel Schneider
zum Delas (Dehles), ein Jobst Petschner aus Heinersgrün und ein Nyckel
Mulner aus Drybel (Triebel), ihr Fähnrich war, wohl nicht ganz freiwillig,
Hans Föditzsch, welcher nach seiner eigenen Aussage das Amtsfähnlein
länger denn 18 Jahre getragen hatte. Nach Berichten Limmers (Entwurf
einer urkundlichen Geschichte des gesamten Vogtlandes) sollen sich besonders
die Ortschaften Theuma, Ober- und Unterlosa beteiligt haben, wie das Sprichwort
noch gehe: „Es ist Theuma und Losa auf.” Nach dem Strafregister
jedoch scheinen sich die meisten Dörfer des Vogtlandes am Aufruhr beteiligt
zu haben.
Als aber die Aufrührer bei Frankenhausen vernichtet worden
waren, gingen auch die vogtländischen Bauern wieder auseinander, ohne
erheblichen Schaden angerichtet zu haben. Zwar ist auch hier und da geplündert
worden. So berichten die Visitationsprotokolle, dass die Altarleute von
Krebes sich beklagt haben, dass im Bauernaufruhr 6 oder 7 Kühe von
der Pfarre durch die Bauern genommen seien. In einem Briefe an den Kurfürsten
von Christoph Feilitzsch zu Heinersgrün, welcher wegen eines allzustrengen
Strafverfahrens gegen einen Petzschner, der am Aufruhr sich beteiligt hatte,
angeklagt war, heisst es, dass die Bauern alle Fürsten, Grafen, Edle,
Reisige und Pfaffen erschlagen und verjagen und die Schlösser „buchen” wollten,
so bereits geübt an den
Pfaffen zu Misslareuth und Reuth, wie auch die Bauern zu Heinersgriin
die Pfarre zu Theuma geplündert hätten.
Auch in Oelsnitz scheint
man um diese Zeit den Versuch gemacht zu haben, nach Art eines Niklas Storch
das Volk aufzureizen. Im Oktober 1523 schreibt Luther in einem Briefe an
Michael von der Strassen, Geleitsmann zu Borna, von einem Prediger in Oelsnitz,
dass er zu schnell und eifrig vorgehe. Er sagt von ihm: „Aber diesem
Prediger mangelt, dass er zu hoch anhebt und wirft die alten Schuhe weg,
ehe er neue hat, und will den Most in alte Fässer fassen, das ist nicht
fein” Zum Schluss bittet er, dem
Schösser zu Oelsnitz zu sagen, dass er dem Prediger befehle, säuberlich
anzufahen und fürs Erste Christumrecht zu predigen, oder lasse
sein Schwärmen anstehen und mache sich davon. Im Dezember 1523
wendet sich Luther an den Rat der Stadt selbst und schreibt u. a.: „Ist
derhalben meine Bitt', wollet um Gotteswillen von solchem euer Volk abweisen.
Denn es langet dem heiligen Evangelio und uns allen zu grosser Schmach,
welche zu vorhin allzugross ist durch viel loser, leichtfertiger Buben Predigten!” Am
andern Tage schreibt er nochmals an den genannten Michael von der Strassen,
dass man den Prediger von Oelsnitz entweder vertreibe oder zwinge, solch
ungeschickt Ding dem Volke wieder auszureden und zu widerrufen". Vielleicht
ist der Prediger derselbe, von dem eine Urkunde v. 5. Januar 1524 handelt.
Nach derselben soll auf Befehl des Herzogs Johann der Amtmann Hans Roder
zu Plauen, Leonhard Engelschalk, Schösser zu Vogtsberg und der
Rat der Stadt Oelsnitz die Irrungen zwischen dem Prediger Bartholomäus
Kraus und der Gemeinde Oelsnitz wegen des genannten Predigers aufrührerischen
Wesens und Predigens verabschieden und verfügen, dass derselbe nach
Bezahlung seines Gehaltes zu entlassen sei.
Soviel Schaden nun auch diese
Unruhen der evangelischen Kirche gebracht haben, so hatte doch diese stürmische
Zeit auch etwas heilsames für
die junge Kirche und ihre Weiterentwicklung. Luther selbst war noch
vor dieser Zeit gegen ein straffes Regiment. Als aber 1525 bei den Unruhen
die Auswüchse reformatorischer Bewegung sich zeigten, als durch sie
auch das Predigtamt und die Obrigkeit verneint worden war, und als die ohnehin
noch lockeren kirchlichen Ordnungen drohten ganz zerstört zu werden,
da musste die politische Gewalt schon um ihrer selbst willen eingreifen.
Auch Luther wurde nun anderer Meinung. Er erkannte es jetzt, dass die Aufrechterhaltung
der Pfarreien und die Sicherstellung ihrer Dotierungen Existenzbedingungen
der neuen Kirche waren. Die Not drängte
zur Zuhilfenahme der weltlichen, fürstlichen Macht. Luther wandte sich
selbst brieflich mit solcher Bitte an den Kurfürsten Ende 1525. Er
schrieb ihm: ;,Die Pfarreien liegen darnieder, niemand giebt, niemand zahlt,
die Opferpfennige sind gefallen, Zinsen sind nicht da oder zu wenig, es
achtet der gemeine Mann weder Prediger noch Pfarrer, dass, wo nicht eine
tapfere Ordnung und staatliche Erhaltung der Pfarreien vorgenommen wird,
in kurzer Zeit weder Pfarrhöfe, Schulen noch Schüler da sein werden
und Gottes Wort und Dienst zu Grunde gehen muss."
In einem ähnlichen
Sinne hatte zuvor schon der Zwickauer Pfarrer, Nikolaus Hausmann, dem Herzoge
Johann geschrieben, indem er ihm die kirchlichen Schäden schilderte: „Jetzt
sei nichts nötiger als zu visitieren,
Visitation ist gar ein edles Werk, es ist nichts als Gebrechen wandeln,
ermahnen, zum sittlichen Leben trösten und stärken.” Luthers
Bitte hatte Erfolg; es wurden Visitationen beschlossen, und auf Befehl des
Landesfürsten damit begonnen. Im Jahre 1529 wurden sie auch auf das
Vogtland ausgedehnt. Die Protokolle darüber sind noch vorhanden im
Sächsisch-Ernestinischen Gesamt-Archive zu Weimar.
Die vom Kurfürsten
dazu bestellten Visitatoren waren Aasarg, Herr zu Wildenfels, Georg Spalatin,
Pfarrer zu Altenburg und Antonius Musa, Pfarrer zu Jena. Da sie auf Grund
einer eingehenden Visitations-Ordnung angewiesen waren, die kirchlichen
Verhältnisse zu ordnen, allenthalben
die neue Lehre zu fördern, Übelstände und Missbräuche
abzustellen, die Lehrer in Kirchen und Schulen zu unterweisen, und sie dabei
mit den einzelnen Gemeinden des Landes in Berührung kamen, so kann
man dieses Jahr als das Jahr der wirklichen Einführung der Reformation
bezeichnen, die ja vordem noch nicht überall Eingang gefunden hatte.
Die Protokolle zeigen uns auch in der Tat, dass in vielen Gemeinden damals
noch päpstlich
gesinnte Pfarrer waren, die bisher noch lateinische Messe gehalten und unter
einer Gestalt das Abendmahl gereicht hatten. Von den Pfarrern in den
Ämtern Plauen und Vogtsberg wurden etwa 15 als papistisch erfunden; im
Plauener Bezirke waren es die Geistlichen zu Mühltroff, Langenbuch,
Krebes, Syrau. Die meisten versprachen, sich im Leben und Lehre zu bessern
oder sie wurden ernstlich verwarnt. Einige jedoch mussten ihr Amt aufgeben.
Ausserdem
verhandelten die Visitatoren mit den Bauernschaften und dem Adel. Da in
den Zeiten der Unruhen die Pfarreien, wie Luther klagen musste, verwahrlost
waren, und die Bauern ihre Abgaben nicht mehr entrichten wollten, auch einige
der edlen Herren sich manches zu nutze gemacht hatten zum Nachteil der Kirche
und Pfarreien, so musste auch darin Ordnung geschafft werden. So wird für
viele Dörfer festgestellt, was zum Einkommen der Kirchen wie Pfarreien
gehörte, und es wurden alle, Bürgerliche wie Adlige, vermahnt,
das zu gewähren, wozu. sie schon früher verpflichtet waren.
In
den Städten wurde der sogenannte gemeine Kasten eingerichtet, dazu
bestimmt, den Prediger und andere Diener der Kirche samt dem „Armut” daraus
zu erhalten. Interessant ist eine diesbezügliche Bemerkung in Widmanns
Chronik von Hof: „Denn weil die Leute aus Gottes Wort nunmehr
soviel gelernt hatten, dass Klöster, Messen und Bruderschaftstiften
vergebens und abgöttisch wären, damit gleichwohl der Gottesdienst
nicht ganz falle, sondern die Kirchen und Schulen in ihren Würden,
auch die Gebäude mögen erhalten werden, hat man die christliche
Bürgerschaft dahin leiten müssen, dasjenige, so zuvor auf das
abgöttische Pfaffenwerk gewendet worden, hinfort zu dem gemeinen Gotteskasten
zu geben und Stiftung darzutun.”
Vor Beendigung der Visitation im Amte
Vogtsberg wurde der Komtur zu Plauen, Georg Eulner, weil er schon früher
die Jurisdiktion gehabt habe, zum Superattendenten in den Aemtern Vogtsberg
und Plauen verordnet, also auch für die Kirchen der jetzigen Ephorie
Oelsnitz.
Zu derselben Zeit, da
man hier visitierte, spielte sich in fernen Landen ein Vorgang ab, der nicht
ohne Einfluss auf den Fortgang der Reformation bleiben konnte. Es war dies
die Protestation der evangelischen Stände
auf dem Reichstage zu Speier am 19. April 1529, worauf Kaiser Karl V. für
das folgende Jahr einen Reichstag nach Augsburg ausschrieb, dem er selbst
beizuwohnen gedachte, und auf dem die Beilegung der religiösen Wirren
den Hauptpunkt der Verhandlungen bilden sollte. Hier übergaben an jenem
denkwürdigen 25. Juni 1530 die evangelischen Stände das Augsburgische
Bekenntnis, das auf viele versammelte Fürsten einen guten Eindruck
machte, und wodurch manche Vorurteile über den protestantischen Glauben
zerstreut wurden. Vor allem wurden die Evangelischen mit neuem Mute erfüllt,
so dass der Landgraf von Hessen schreiben konnte: „Es ist keine Not,
Gott ist auf unsrer Seite.”
So haben die Vorgänge zu Speier und
Augsburg nicht unwesentlich zur Steigerung der moralischen Kraft der Protestanten
mit beigetragen und damit die Reformation gefördert.
Auch in Kursachsen steigerte sich der Eifer
für die neue Lehre, und
man verordnete zu ihrer Förderung wieder Visitationen. Dieselben waren
von den Landständen auf dem Ausschusstage zu Zwickau angeregt worden,
um die kirchlichen Zustände, die teilweise immer noch unhaltbar waren,
zu bessern.
Auch für unser Vogtland wurde eine neue Visitation beschlossen,
wozu der Befehl vom Kurfürsten 1532 erging. Dazu war wieder eine besondere
umfangreiche Instruktion entworfen worden, und dazu gab Spalatin noch ein
besonderes Visitations-Bedenken in 21 Punkten.
Am Sonntag Lätare 1533
wurde zu Oelsnitz mit der Visitation begonnen. Visitatoren waren diesmal:
Christoph von Planitz, Amtmann zu Vogtsberg und Plauen, Magister Georg Spalatin,
Asmus Spiegel zu Grünau, Josef Lewin
von Metzsch auf Mylau, Johann Reymann, Pfarrer zu Werdau, und Michael Alber,
Bürgermeister zu Altenburg.
Aus den Protokollen, welche ebenfalls noch
in Weimar vorhanden sind, geht hervor, dass die Ergebnisse dieser 2. Visitation,
was Lehre und Leben der Kirchen- und Schuldiener anlangte, erfreulicher
waren als vor 4 Jahren, so dass man annehmen darf, dass die Vermahnungen
der Visitatoren von Erfolg gewesen waren. Als eigentlich papistisch wird
diesmal kein Geistlicher mehr bezeichnet, nur von einigen wird bemerkt,
dass sie ungeschickt, ungelehrt, auch alte Männer seien, so unter anderen
die Geistlichen von Thierbach, Ruppertsgrün, Altensalz, Reuth, Langenbuch,
Zöbern; jedenfalls
ein günstigeres Resultat als 1529.
Allerdings darf man aber nun nicht
meinen, dass das Papsttum völlig
ausgerottet gewesen wäre. In Mühltroff wurde noch 1533 auf Befehl
des Kaspar Sack daselbst das Sakrament „im Häuslein” gehalten.
Die Visitatoren aber geboten, „es aus dem Gefängnisse zu lassen.” Sie
hielten sich an Luthers Wort: ,.Da tut man alle Unehre und Schmach dem heiligen
Sakramente, dass man's zum Schauen umträgt und eitel Abgötterei
damit treibt."
Selbst manche Edelleute hingen noch dem alten Glauben
an, indem sie noch Messe lesen und das Abendmahl eingestalt sich reichen
liessen, weshalb sie ernstlich verwarnt wurden. Besonders werden genannt
jener Sack von Mühltroff,
die Gebrüder Oswald und Wilhelm von Dobenek auf Jössnitz, Albrecht
von Tettau, ein Thoss auf Erlbach und eine Frau von Zettwitz zum Stein bei
Planschwitz, welche zweimal gefordert werden musste, weil sie vom Worte
Gottes und dem Sakramente schimpflich und übel redete.
Andererseits
gab es zu jener Zeit unter dem Adel auch Männer, die
sich der Reformation schnell anschlossen, ja begeisterte Anfänger und
Förderer der neuen Lehre wurden. Viele von ihnen standen mit Luther
im Briefwechsel, so ein Nickel Sack auf Geilsdorf, der mit anderen Lehnsherren
zusammen mit allem Fleiss die Visitatoren gebeten, sie mit christlichen
Pfarrern zu versehen.
Von diesen sind vier vogtländische Edelleute hervorzuheben.
Josef Lewin von Metzsch auf Mylau, dem Spalatin den Ehrentitel gab: Totius
Voitlandiae nobilitatis ornamentum. Durch seine Vermittlung ist 1526 der
evangelisch gesinnte Pfarrer Lorenz Sörer nach Reichenbach gekommen.
Besondere Verdienste um die Reformation hat er sich dadurch erworben,
dass er mit grossem Eifer unter Mithilfe seines Freundes Stephan Roth zu
Zwickau die Erstlingsdrucke von Luthers Schriften sammelte, sodass seine
Bibliothek eine wahre Berühmtheit erlangte. Als man die erste Gesamtausgabe
von Luthers Schriften veranstaltete, wandte man sich auch nach Mylau, um
dort Seltenheiten zu erlangen.
Ihm ebenbürtig waren zwei Ritter von
Feilitzsch, Philipp von Feilitzsch auf Sachsgrün und Fabian von Feilitzsch
auf Regnitzlosau. Der erstere war des öfteren der Gesandte des Kurfürsten
und dessen Begleiter zu den Reichstagen. Er hat auch in Speier im Namen
des Kurfürsten die
Protestation abgegeben. Zu Luther scheint er in freundschaftlichen Verhältnissen
gestanden zu haben. Als dieser vor Cajetan erscheinen musste, begleitete
ihn Philipp von Feilitzsch. Nach einem Briefe von 1521 ist vermutlich Luther
in Worms bei ihm zur Herberge gewesen.
Fabian von Feilitzsch wird als Luthers
besonders guter Freund bezeichnet und hat schon zu Beginn der Reformation,
die neue Lehre nicht wenig gefördert,
zumal er auch der Vertraute des Kurfürsten war. Luther selbst stellt
ihn an vielen Stellen seiner Schriften ein ehrendes Zeugnis aus, ihm hat
er auch die Schrift gegen die Bulle des Papstes gewidmet.
Als vierter ist
zu nennen Hans Edler von Planitz auf Auerbach, Hauptmann zu Grimma, ebenfalls
ein Freund Luthers, welcher den ersten drei evangelischen Kurfürsten
mit seinem guten Rate gedient hat. Bei der Disputation in Leipzig war er
im Auftrage des Kurfürsten zugegen, um eventuell Luther
zu schützen. 1530 begleitete er seinen Kurfürsten nach Augsburg.
Die Nachwelt hat ihn dadurch geehrt, dass sie in der altehrwürdigen
Marienkirche zu Zwickau ihm ein. Denkmal errichtet hat.
Die 2. Visitation
hatte es aber nicht nur zu tun mit der Prüfung der
Geistlichen und ihrer Lehre. Sie beschäftigte sich auch mit der Ordnung
der äusserlichen kirchlichen Verhältnisse. So wurden die
Dotierungen der Kirchen und Pfarreien festgesetzt, und vieles, was in den
letzten Jahrzehnten ihnen entzogen worden war an Zinsen, Zehnten, Frohndiensten
und Stiftungen, wieder zugeführt, soweit dies bei der ersten Visitation
nicht geschehen war. Auch die Pfarrer wurden angewiesen, die Pfarrgüter
in gutem Zustande zu erhalten. Pfarreien, die zu wenig Einkünfte besassen,
wurden vom Kurfürsten aufgebessert.
Besonders aber nahm man sich bei
dieser Visitation der Schulen an. Wo man Schulen schon vorfand, zumeist
in den Städten wie in Oelsnitz, Plauen,
Pausa, Mühltroff, Elsterberg und Gefell, wurden die Lehrer visitiert,
und, wo nötig, gebessert. Auch auf dem Lande, wo zumeist die Schulen
noch fehlten, suchte man solche einzurichten, oder wenigstens ihre Einrichtung
anzubahnen, indem die Kinderlehre in verschiedenen Orten angeordnet
wird. So soll in Oberlosa anstatt der Wochenmesse ein ander christlich Werk
getrieben werden, die Kinderlehre, so auch in Kröstau und Strassberg.
Zum
Schlusse der Visitation in Plauen wurde, wie schon vier Jahre vorher, dem
Pfarrer die Superattendenz befohlen, dem Prediger in Plauen aber die Obersuperattendenz
im Vogtlande und dem Oberkreis in Meissen. Ob damals schon Oelsnitz einen
eigenen Superattendenten erhielt, geht aus den Protokollen nicht hervor.
So
segensreich nun auch die Visitationen zweifellos für die evangelische
Kirche gewesen sind, mit ihnen allein war es nicht getan. Gemäss den
Visitations-Vorschriften, gemässigt aufzutreten, alle Polemik gegen
die Römischen zu vermeiden, mit tunlichst schonender Hand das Alte
umzugestalten, konnte der Uebergang von der alten zur neuen Lehre nur allmählich
vor sich gehen, und infolgedessen hat sich auch hier im Vogtlande trotz
der Visitationen manches Katholische noch Jahrzehnte lang gehalten.
So schreibt
nach 1542 der Pfarrer und Superintendent Rebhuhn zü Oelsnitz über
die katholische Elevation (Aufhebung) des Sakramentes: „Des Gemurmels
unter dem Volke ist nicht wenig, und stehen auch etliche Dorfpfarrer in
Gefahr darüber, von ihren Edelleuten, die gross darob halten. Ich habe
es zwar noch nicht abgetan, bin's aber auch willens. Ich wollte aber gern,
dass unser gnädigster Herr uns etliche Superintendenten zusammen liesse
fordern, dass wir uns vereinigten der Zeremonien, die bei dem Sakramente
zu brauchen wären und also die Elevation zugleich abtäten, damit
es nicht so ärgerlich wäre,
wie es also ist, und dass auch mein gnädigster Herr ein Mandat und
Schutzbrief dazu gebe, dass die armen Dorfpfarrer vor ihren Edelleuten,
sonderlich in dieser Landart hier oben, dieser Sache halber, sicher wären."
Ein
besonderer Notstand für die junge Kirche trat damit ein, dass
es ihr an der Geistlichkeit fehlte. Die Möglichkeit einer tatkräftigen
Durchführung der Reformation wurde auch durch Heranbildung wahrhaft
lutherischer Geistlicher und durch Beschaffung einer sorgenfreien Existenz
derselben gegeben.
In jener Zeit aber gerade war eine Abneigung gegen das
Studium der Theologie zu bemerken, einmal weil man um jene Zeit diesem Stande
nicht die Achtung entgegenbrachte, die er verdient hätte, und dann
auch, weil die Einkommensverhältnisse
sehr missliche waren. Noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts betrug in der
Ephorie Plauen der Durchschnittsgehalt eines Geistlichen nach unserem
Gelde nur etwa 1000 Mark, wozu noch Wohnung und Garten kam.
Dieser Mangel
an Geistlichen musste den kirchlich Gesinnten eine grosse Besorgnis sein
für die Zukunft der evangelischen Kirche. In ihrem Interesse
musste eingegriffen werden, um diesem Mangel abzuhelfen. Man erstrebte dies
einmal durch Verbesserung der Einkommensverhältnisse und dann durch
Erleichterung des Studiums, indem man Stipendien gewährte. Die Einkünfte
aus den aufgehobenen Stiften und Klöstern wurden teilweise dazu verwendet.
Der Kurfürst erliess eine neue Stipendiaten-Ordnung, nach derselben
war auch das Vogtland bedacht. Plauen hatte zwei, Oelsnitz, Adorf und Pausa
je eine Stipendiatenstelle erhalten. Wenn die Zahl der Ordinierten in Wittenberg
nach dem Ordiniertenbuche ca. 1540 um das Vierfache zunahm, so ist das zum
Teil wohl auch den angeführten Massnahmen zuzuschreiben.
Endlich sei
noch einer Einrichtung gedacht, die sozusagen den Schlussstein der Reformations-Arbeiten
bildete, es ist die Einrichtung der Konsistorien, die freilich zuerst unser
Vogtland noch nicht betraf, sondern deren
Segens es sich erst nach einigen Jahrzehnten erfreuen konnte.
Trotz der wiederkehrenden
Visitationen machte die Entwicklung der lutherischen Kirche geringe Fortschritte.
Immer mehr kam man zur Erkenntnis, dass es an einer kirchlichen Zentralaufsichtsbehörde
fehlte, die auch mit richterlichen Befugnissen ausgestattet war. Dieser
Notstand bewog den Ständeausschuss zu Torgau, am 13. Mai 1537 bei dem
Kurfürsten
Johann Friedrich den Antrag zu stellen, Konsistorien einzurichten. Es wurden
vier Konsistorien empfohlen, eines für jeden der vier Visitationssprengel.
Nach längeren Verhandlungen
schritt man 1539 unter Zustimmung Luthers zur probeweisen Einrichtung eines
Konsistoriums für den Kurkreis in Wittenberg. Ein solches für
Zwickau und Zeitz sollte folgen, ist aber wohl vorläufig unterblieben.
Als
nach der für die Evangelischen unglücklichen Schlacht bei
Mühlberg i. J. 1547 das Vogtland wieder in die Hände der Vögte
kam unter dem Burggrafen Heinrich von Meissen, wurde auch für das Vogtland
analog dem früheren Archidiakonate im Dobnagau ein Konsistorium
eingerichtet, das Fürstlich-Burggräfliche Konsistorium. Es sollte
zunächst wichtige Ehesachen, die auch im Vogtlande sehr im Argen lagen,
entscheiden, dann aber auch sonst für das Kirchenwesen des ganzen Vogtlandes
die höhere Instanz bilden. Der Leiter scheint der streitbare Superintendent
Magister Corbinian Hendel zu Plauen gewesen zu sein, als des Burggrafen
zu Meissen oberster Superattendent, Mitglieder waren wahrscheinlich
fünf Geistliche, der Bürgermeister von Plauen und zwei Ratsmitglieder.
Nachdem
1569 das Vogtland wieder in sächsischen Besitz, nun albertinischer
Linie, gekommen war, bildete dieses Konsistorium nur eine Art Mittelinstanz
gegenüber dem Konsistorium zu Leipzig, bis es 1583 für immer aufgehoben
wurde, und das Vogtland nunmehr ganz dem Konsistorium zu Leipzig unterstand.
Damit war nun auch für das Vogtland die eigentliche Reformationsarbeit
abgeschlossen.
Jahrhunderte hatte es, wie wir sahen, gedauert, bis das Christentum
hier zur Einführung und Durchführung kam und Jahrzehnte, bis das
von Luther wieder aufgedeckte Evangelium festen Fuss gefasst hatte. Damit
aber waren nun die Grundlagen gegeben worden, auf denen das kirchliche Wesen
sich weiter entwickeln konnte. Dass diese Grundlagen gute waren, das haben
die auf die Reformation folgenden Jahrhunderte gezeigt, die eine schöne
Weiterentwicklung des kirchlichen Wesens gebracht haben. Möge es nun
auch so günstig weitergehen und an unserm Vogtlande und der ganzen
Ephorie Plauen wahr werden der alte Spruch:
„Gottes Wort und Luthers
Lehr' Vergehet nun und nimmermehr.”
Hauptsächlich benutzte Quellen
u. Literatur:
Die Jahresschriften des
Altertumsvereins zu Plauen.
Blanckmeister, Sächs.
Kirchengeschichte.
Schulte, Kolonisierung und Germanisierung der Gebiete
zwischen Saale und Elbe.
M. Schmidt, Zur Geschichte der Besiedelung des Vogtlandes
(7. Jahresbericht der städt. Realschule Dresden-Johannstadt.)
Lepsius,
Geschichte der Bischöfe von Naumburg.
Fischer, Einführung des
Christentums in Bayern.
Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands. 3. T.
Meyer, Quellen zur Geschichte
Hofs.
Burkhardt, Geschichte der sächs. Kirchen- und Schulvisitationen.
Fritsche,
Unruhen im Vogtlande J. 1525 (Jahresbericht des Altertumsforschenden Vereins
zu Hohenleuben 47.—49.).
B. Schmidt, Urkundenbuch der Vögte von
Weida, Gera und Plauen