Verkehrsverhältnisse und wirtschaftliche Zustände
im alten Plauen.
Vortrag gehalten im Altertumsverein am 21. Oktober 1904
von A. Neupert sen.
(gekürzte Fassung)
Im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts war Plauen noch von einer fest geschlossenen
Stadtmauer umgeben, welche vom Nonnenturm ab, vor der Lohmühle vorbei, nach dem Syrauertor, von
da nach dem Schlosse, dem Hammer- und dem Brückentor ging, den Komthurhof und die geistlichen
Gebäude einschließend.
sich unterhalb der Hauptkirche bis zur Pforte fortsetzte, in welcher Gegend noch heute Teile erhalten
sind, ebenso auf dem Tracte von der Pforte bis zum städtischen Malzhause, der Stelle, auf welcher
das alte Eversteinsche Schloß einen wesentlichen Teil der Befestigung der Stadt bildete. Vom
Rondell des Eversteinschen Schlosses bis zum Straßberger Tor war die Mauer eine doppelte, ebenso
vom Straßberger Tor bis zum Neundorfer Tor und von diesem bis zum Nonnenturm. Auf einem unserer ältesten
Stadtpläne; der von dem Oberlandmesser Christoph Moritz Dietz im Jahre
1732 gefertigt ist, sind in diesen letzten drei Trakten die drei Zwinger bezeichnet,
heute erinnert an den davorliegenden Stadtgraben noch der obere und untere
Graben.
Auf diesem Dietzschen Plane finden wir manche Abweichungen
von den heutigen Straßenbezeichnungen.
Der jetzige Amtsberg hieß Schloßgasse, die Brückenstraße
Mühlgasse.
Der Viehmarkt wurde bis zum Jahre 1820 auf dem jetzigen Neustadtplatz abgehalten,
der freie Platz vor der Realschule, auf welchem von jeher eine Linde stand,
ist als Kuhmarkt unter der Linde bezeichnet. Die heutige Schulstraße
hatte den lieblichen Namen „Saugasse”. Im „Kloster”,
einem unregelmäßigen, winkligen Platze, der nach dem Brande von
1844 zu dem rechtwinkligen, größeren „Klostermarkt” umgestaltet
wurde, befand sich der städtische Marstall,
die Frohnveste und die Hauptwache. Zwischen dem obern Steinweg und dem „Kloster” finden
wir den alten Topfmarkt. Der hintere Teil der jetzigen Herrenstraße
hieß Schustergasse,
die jetzige obere Endestraße Kupferschmied-Gäßchen, der alte
Teich Saumarkt. Es gab eine Fleischergasse, sowie Fleisch- und Brotbänke,
jetzt Bänkegäßchen (die Fleischbänke
wurden 1851 beseitigt), die jetzige Königstraße hieß Judengasse,
bekanntlich infolge der Anwesenheit des Königs Friedrich August im März
1813 umgetauft. Der „Pulverturm” war
eingebaut in die Stadtmauer zwischen Straßberger- und Neundorfer Tor,
man war also bezüglich
einer Explosionsgefahr damals nicht so ängstlich wie später, denn
unser Pulverhaus wird demnächst
zum dritten Male weichen müssen; nachdem es von der äußeren
Dobenaustraße (wo
es sich nur 100 Schritt von dem nächsten bewohnten Gebäude befunden
hatte), vor nicht allzulanger Zeit nach der alten Oelsnitzer Straße
in die Nähe des Kemmlers verlegt worden war, soll
der näherrückenden Bebauung der Ostvorstadt halber ein neues drittes
Pulverhaus auf Tauschwitzer Flur in aller Kürze errichtet werden.
Verschwunden sind im Laufe der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts die sämtlichen Tore der
Stadt mit den daran liegenden Röhrenteichen, verschwunden sind die großen Röhrkasten,
welche dieser Plan der Stadt in großer Zahl aufweist, verschwunden auch die Lohmühle, die
Klappermühle, die Siechenhäuser, welche 1842 abgetragen wurden, und das Johannishospital,
welches am 24. Mai 1868 niederbrannte, aber erhalten geblieben ist das Elisabethhospital, welches,
wie urkundlich feststeht, 1332 vom Vogt Heinrich dem älteren erbauet und gestiftet worden war;
in späterer Zeit bis zum Jahre 1836 diente es als Waisenhaus, jetzt befindet sich darin die erste
vogtländische Sauerkrautfabrik von Schlichting. Die jetzt König Albertbrücke genannte
ehrwürdige alte Brücke über die Elster, welche der Sage nach von Nürnberger
Kaufleuten errichtet worden sein soll, die in der Tat aber Plauen den Deutschherren zu verdanken haben
dürfte, findet sich abgebildet in ihrer Beschaffenheit vor ihrer Umwandlung im Jahre 1888
zur König Albertbrücke in dem Schrammschen „Schauplatz der merkwürdigsten Brücken
aller 4 Weltteile”, welches Werk 1735 in Leipzig erschienen ist und sich auch in hiesiger Stadtbibliothek
befindet. Ueber die Elster führte damals nur diese eine steinerne Brücke, außerdem
noch flußaufwärts der schwarze Steg und der hohe Steg, welche beide nicht von der Stadt,
sondern von den beteiligten Grundstücksbesitzern in Stand zu halten waren. Auch über die
Syra führte nur eine steinerne Brücke, die den Verkehr von der Neustadt nach dem untern Steinweg
vermittelte, der sich sodann vom Marktplatze aus nach dem Neundorfer und Straßberger Tore teilte.
Nach dem Syrauer Tor zur Syrauer Straße nach Gera, Auma etc. war nur eine Durchfahrt im Syrabett
vorhanden. Diesem mißlichen Zustande ein Ende zu machen, forderte die Kreishauptmannschaft unter
dem 9. August 1816 den Rat auf, polizeiliche Vorsorge zu treffen, daß an Stelle der bis dahin
benützten Durchfahrt durch die Syrau am Syrauer Tor eine fahrbare Brücke errichtet würde.
Es heißt in diesem Erlaß der Kreishauptmannschaft:
„Nicht nur die große Unbequemlichkeit,
welche schon bei ganz gewöhnlichem Wasserstande
die Durchfahrt durch den Bach selbst verursache, sondern noch mehr das Gefährliche derselben
wegen des mit großen Steinen und mit Unebenheiten und mit ausgewaschenen Löchern angefüllten
Wasserbettes erheische eine Abhilfe”, ganz besonders sei die Gefahr eine erhöhte, wenn der
Wasserstand zu einer ungewöhnlichen Höhe anschwillt, oder im Winter der Bach zufriert,
wo dann kein Fuhrmann im Stande sei, die 60 Ellen bis ans Tor zu fahren. Die Kreishauptmannschaft habe
die Kosten des Baues einer hölzernen Brücke veranschlagen lassen, dieselben würden 497
Taler 9 Gr. 4 Pfg. betragen haben. Der Rat ist gern bereit, dieser Aufforderung nachzukommen, doch
möchte man lieber eine steinerne Brücke errichten, die nach dem Anschlage des Ratsmaurermeisters
Gottlieb Rädel nahezu 1000 Taler kosten würde, allein an die Ausführung ist zunächst
nicht zu denken, es fehlt an Geld. „Es ist keinerlei Fonds vorhanden, die Kämmereikasse
hat erst in demselben Jahre wegen der höchst notwendigen Anlegung einer Expeditionsstube auf dem
Rathause höchsten Ortes um ein Anlehen von 6-800 Taler bitten müssen, übrigens
seien vorher schon 3800 Taler an Kapitalien aufgenommen worden, welche verzinst werden müßten,
die der Rat leider nicht habe zurückzahlen können.” (Daß die Kämmereikasse
von den maßlosen, schweren Anforderungen, welche die Napoleonischen Kriege mit ihren unausgesetzten
Truppen-Durchmärschen, Einquartierungen und Kontributionen der Stadt auferlegt hatte, sich noch
nicht erholt haben konnte, ist ja nur erklärlich.) Es heißt weiter in den Akten: „Infolge
totalen Mißwachses habe der Pächter der städtischen Güter Reyßig und Haselbrunn
das Deputatgetreide nicht liefern können, welches die Ratsbedienten und andere auf Naturalbesoldung
angewiesene Personen zu erhalten hätten, zu deren Befriedigung der Ratskämmerer
bereits für seine Person einen Vorschuß geleistet habe. Der Preis für einen Scheffel
Korn war bei der anhaltenden Teuerung auf schließlich 9 Taler 20 Gr. gestiegen. Der erste
Erntewagen, der 1817 eingefahren wurde, gab Anlaß zu einem religiösen Volks-Dankfest, welches
Superintendent Tischer auf dem Marktplatze zelebrierte. Der Wagen war mit Blumen, Laubgehängen
und grünen Bäumen, sowie mit Kränzen und Bändern geschmückt, gezogen von drei
Doppelgespannen brauner Pferde, voraus einen Vorreiter, die Führer und Tiere mit Bändern
und Tüchern geziert und von militärischer Bedeckung umgeben, feierlich der Stadt zugeführt.
Dem Wagen mit der kostbaren Spende ging ein Musikchor voraus, das einen fröhlichen Erntemarsch
blies, und ihm nach folgten zunächst vier der ältesten Greise der Stadt, zusammen an 330
Lebensjahre zählend und jeder von zwei weißgekleideten Mädchen mit frischen Eichenzweigen
in der Hand geführt, an welche sich dann ein langer Zug ebenso geschmückter Mädchen
anschloß. An diesen reihte sich der lange, aus Bürgern aller Stände bestehende Festzug
an.
Doch zurück zum Bau der Syrabrücke.
Zur Beschaffung der Baugelder bittet der Rat im Jahre 1817
die Kreishauptmannschaft ihresteils zu befürworten, daß die von den Hufenbesitzern und
den mit Pferden gewerbetreibenden hiesigen
Einwohnern zu entrichtenden Straßenbau-Surrogat-Gelder der Stadt als Beihilfe zu diesem
Bau bis auf weiteres überlassen werden und höchsten Ortes ferner eine Erhöhung des bisherigen
Brücken- und Pflasterzolls genehmigt werden möchte.
Der Bau der Brücke selbst war 1816
begonnen worden und im Juli 1817 standen die „Brustmauern” fertig
da, nur fehlte es zur Beendigung des Baues abermals an flüssigen Mitteln, 200 Taler hatten aus
dem Hospitalkasten, 100 Taler aus dem Kirchkasten und 100 Taler aus dem Privatvermögen des Bürgermeisters
Geliert, dem Stadtbauverwalter Huttner darlehnsweise zur Verfügung gestellt werden können,
aber nun galt es weitere Einnahmequellen zu eröffnen, um die fehlenden 600 Taler an den Gesamtbaukosten
zu beschaffen, zumal die Straßenbau-Surrogat-Gelder im ersten Jahre nur 49 Taler 3 Gr. erbracht
hatten, mithin nur die 5prozentige Verzinsung der 1000 Taler betragenden Gesamtsumme deckten. Nach
vielfachen, langwierigen, durch die Kreishauptmannschaft vermittelten Verhandlungen mit der Regierung
wurde endlich unter dem 9. November 1818 dem Stadtrat nachstehende erhöhte Sätze an Brücken-
und Pflasterzoll zu erheben gestattet:
1 Gr. von jedem auswärtigen Pferde, das an Kutschen oder
Lastwagen eingespannt ist;
6 Pfg. von jedem Stück auswärtigen Rindvieh, das an Kutschen oder
Lastwagen eingespannt ist (NB. Rindvieh vor Kutschwagen war damals keine seltene Erscheinung);
6 Pfg.
von jedem Wagen mit Pferden oder Rindvieh bespannt, welcher Getreide, Viktualien, Scheit-, Stockholz
oder Büschel zur Konsumtion der Stadt
(auf die Wochenmärkte) zufährt;
1 Gr. von jedem Reitpferde, oder jedem andern leergehenden
Hand- oder Koppelpferd;
4 Pfg. von jedem uneingespannten Stück Rindvieh, auch demjenigen,
welches zu den Jahr- und Viehmärkten zum Verkauf oder sonst zum Handel eingebracht, aber mit Ausschluß dessen,
was zur Konsumtion der Stadt von den Stadtfleischern oder andern Bürgern eingeführt wird;
3 Pfg. von 2 Schafen und 2 Pfg. von 1 Schwein, wenn solche auf die Jahr- und Viehmärkte zum Verkauf
oder sonst zum Handel eingebracht werden, mit Weglassung aller derer, welche Stadtfleischer oder andere
Bürger zur städtischen Konsumtion einführen;
4 Pfg. von jedem beladenen Schubkarren,
welcher Gut zum Handel oder andere Effekten fährt;
2 Pfg. von jedem Schubkarren, welcher Getreide,
Viktualien und Holz zur Konsumtion der Stadt (auf die Wochenmärkte) zufährt. Befreiungen
finden statt:
1. in allen den Fällen, wo eine Befreiung vom Chaussee-Gelde nach den Königlichen Chaussee-Gelder-Rollen
eintritt, als:
a) alle Königlichen und Prinzlichen Wagen und Pferde,
b) ordinäre Posten und Estafetten,
c) leergehende Extraposten und Pferde,
d) Regimenter und Kommandos in Kriegs- und Friedenszeiten nebst
dem dazu gehörigen Fuhrwerk,
e) Vorspann- und Frohndienstleistende Untertanen, so Königl.
Militär-Sachen, Magazin-Getreide,
Wildpret, Jagdzeug, Zinsgetreide, Bau-Materialien, Holz etc. an- und abführen, und sich, daß sie
wirklich Frohndienst leisten und dazu ausgeschrieben worden, legitimieren,
f) das Zug- und andere Vieh
der Besitzer der an der Stadt gelegenen Grundstücke, wenn solches
zur Benutzung uud Bestellung derselben gebraucht wird und dabei das Stadtpflaster oder eine Brücke
passiert werden muß,
g) alle Feuer- und Löschungsfuhren,
h) diejenigen, so Freizeichen produzieren.
2. bei allen hiesigen Einwohnern in Hinsicht ihres Zug-und Zuchtviehs,
3. bei Deputatfuhren des Pachters
der Rats- und Kommun-Güter Reyßig und Haselbrun.
Wie notwendig und erfolgreich an und für
sich diese Erhebung des Brücken- und Pflasterzolls
gewesen war, geht aus den vorliegenden Rechnungen der Jahre 1815 und 1816 hervor. Während im letzten
Viertel des 18. Jahrhunderts die Einnahme nur 20-30 Taler alljährlich betragen hatte, ist
vom 1. April 1815 bis inkl. März 1816 eine solche in Höhe von 62 Taler 18 Gr. 4 Pfg. zu verzeichnen,
die Ausgaben aber betrugen 124 Taler 11 Gr. 7 Pfg. so daß der Rechnungsführer 61 Taler
17 Gr. 3 Pfg. Vorschuß behielt, dabei wurde der Sand kostenlos aus der Elster entnommen, ebenso
die Pflastersteine selten in Steinbrüchen gebrochen, sondern in dem Flußbett aufgelesen,
so werden z. B. für 42 Fuder Pflastersteine zu lesen 4 Taler 15 Gr. berechnet.
Ueber den Verkehr
bei den einzelnen Toren finden sich folgende Angaben. Es passierten die Tore:
Wagen | Schubkarren | Reit- u. Roßh.-Pf. | Rindvieh | |
1814/15 | 1863 | 1017 | 75 | 816 |
1815/16 | 1723 | 1091 | 158 | 239 |
1819 | 1820 | 1821 | |
Brückentor | 243 Tl. 15 Gr. | 220 Tl. 17 Gr. | 190 Tl. 7 Gr. |
Hammertor | 16 „ 15 „ | 15 „ 5 „ | 14 „ 3 „ |
Syrauertor | 33 „ 13 „ | 33 „ 17 „ | 32 „ 16 „ |
Neundorfertor | 26 „ 16 „ | 23 „ 13 „ | 17 „ 6 |
Straßbergertor | 26 „ 12 „ | 21 „ 22 „ | 20 „ 7 „ |
Die Bezahlung der Brückenbauten war nach dem Vertrag vom 3. Februar 1835 folgendermaßen
vereinbart:
1/4 der Bausumme voraus,
1/4 wenn die Brücke zur Hälfte fertig und gewölbt sei,
1/4 bei
Vollendung und Uebergabe der Brücke,
1/4 zu Michaelis 1835.
Zur Bezahlung fehlt es in der Stadtkasse an Geld, es müssen Vorschüsse
aus der Lazarettkasse und der Leißnerschen Stiftung entnommen werden, die Restzahlungen erfolgen
an Rädel erst
im April 1837 und Januar 1838, während an Ebert der Rückstand auf das Akkordquantum von 600
Taler zuzüglich Zinsen zu 4 Prozent erst am 31. Juli 1843 zur Auszahlung kommt, nachdem derselbe
bis dahin sein Guthaben hatte bis auf Kündigung stehen lassen.
Hatte nun auch die Wasserflut ein
Gutes im Gefolge gehabt, die bessere Gestaltung des Stadtteils an der Syra, den beteiligten Grundstücksbesitzern
fehlte hierfür oft die nötige Einsicht,
wenn sie dabei auf irgend welche Annehmlichkeit oder Bequemlichkeit verzichten mußten, es
fehlte daher nicht an Einsprüchen und Widersprüchen verschiedener Bürger an der Syra;
am heftigsten ist der Protest des Stadtrats, Advokaten und Notars Dr. Lorenz, der mit grellen
Farben malte, wenn er von der Erhöhung der Straße vor seinem Hause sagt, seine freundliche
Expedition würde einem Keller gleichgemacht, schließlich müsse er den „Eskimaux” gleich
in sein Haus hinabsteigen etc. Er erzielte eine geringe Abänderung des Niveaus, mit welcher auch
die übrigen Anwohner an der Syra sich einverstanden
erklären.
Waren die Verluste der betroffenen Hausbesitzer auch groß und schwer gewesen, reich
war auch die Hilfe, die den Wasserbeschädigten von auswärts zu teil wurde. Außer beträchtlichen
Gaben an Lebensmitteln, Kleidungsstücken und Hausgerät konnte das Hilfskomitee 22 710 Taler
zur Verteilung bringen. Um seiner Teilnahme für die schwer geschädigte Stadt Ausdruck
zu geben, lieferte z. B. die für die Brücken nötigen Granitsäulen zum Geländer
der Steinmetz Schaarschmidt in Bergen das Stück mit 4 Taler, welche 7 Taler hätten kosten
sollen.
Mit dem Anschlusse Sachsens an den deutschen Zollverein im Jahre 1834 begann bald ein Aufblühen
der Plauischen Industrie in ihren verschiedenen Branchen, besonders durch die Einführung
des Jaquardstuhles in der Gardinenweberei und der Schweizer Appretur; der von den Zollschranken befreite
Absatz der vervielfältigten und vervollkommneten Fabrikate gewann von Jahr zu Jahr an Umfang
und Bedeutung, infolgedessen Plauen der Sitz eines Hauptsteueramtes wurde. Was den Postverkehr in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts anlangt, so geben die Bekanntmachungen des Postmeisters Irmisch
einigen Anhalt über die Entwickelung desselben.
1816. Die bisher Dienstags und Sonnabends abends
von hier über Hof nach Leipzig abgegangene reitende
Post ist vom 1. Juli ab eingegangen, dagegen aber eine neuere über Reichenbach, Zwickau, Altenburg
und Borna angelegt worden, welche Mittwochs und Sonntags nachmittags 4 Uhr von hier abgeht und Sonnabends
und Dienstags hier ankommt, solches wird dem korrespondierenden Publikum zur Kenntnis gebracht.
1818.
Die Dresdner und Leipziger fahrenden Posten gehen Montag und Freitag vom 16. Februar ab um eine Stunde
früher ab.
1820. Vom 2. Januar ab ist ein Postbotengang eingerichtet, der wöchentlich Dienstags
und Sonnabends von Adorf nach Oelsnitz und Plauen geht, um dem oberen Vogtland eine bessere Verbindung
mit den von Plauen abgehenden Brief- oder reitenden Posten zu ermöglichen.
1834. Einführung
der zweimal wöchentlich verkehrenden Diligencen auf dem Leipzig-Hofer Postcours
vom 1. Juli ab. Das Personengeld für die mit dieser Diligence Reisenden beträgt auf die Meile
7 Gr. bei 30 Pfund Freigepäck.
1833. Zur Erleichterung des Postverkehrs zwischen Plauen und Pausa
wird das Porto vom 4. Juli ab dahin dergestalt ermäßigt, daß
der einfache Brief 6
Pfg.
'
100 Taler in Silber 2 Gr.
100 Taler in Gold oder Papier 1 Gr. 6 Pfg.
kosten werden.
Neben der Post hatte Plauen noch eine eigenartige Gelegenheit zur raschen Beförderung
wichtiger und eiliger Briefschaften, es war dies der Schnellläufer Joh. Chr. Eduard Krögel,
dessen Dienste in den Jahren 1825 - 1835 von Behörden und Privaten vielfach in Anspruch genommen
wurden. Krögel lief ebenso schnell wie die Eilpost fuhr oder eine Estafette ritt. Um abends vor
Schluß der Expeditionszeit in Dresden zu sein, brach er in Plauen gegen 3 Uhr früh
auf, wegekundig, wußte er jede Abkürzung auszunützen und hielt nur einmal (in der Nähe
von Freiberg) eine kurze Rast, indem er stehend einen Imbiß nahm und dazu ein Glas Wein trank.
Krögel berechnete für die Meile 3 Gr. Botenlohn, da er dabei sich als durchaus pünktlich
und zuverlässig erwiesen hatte, genoß er das allseitigste Vertrauen.
Nachdem im Jahre 1836
das Waisenhaus-Lokal im St. Elisabeth-Hospital frei geworden war, wurde darin eine Krankenanstalt eröffnet;
der Rat macht bekannt, daß der Schuhmachermeister Zacher sich
verpflichtet habe, Kranke darin aufzunehmen, zu warten, pflegen und zu verköstigen, wofür
er täglich von dem Kranken oder dessen Angehörigen vier Groschen und eine Vergütung
für Holz und Licht im Winter zu erhalten habe. Der Zunftzwang ist in diesem Jahre noch in voller
Blüte, ein auswärtiger Sattlermeister Oette aus Treuen hatte sich erfrecht, in Plauen zu
arbeiten, worüber die Innung in Harnisch gerät; in der Charwoche dürfen die
Fleischer kein Rindfleisch verkaufen, dies Recht steht ausschließlich dem jeweiligen Besitzer
der Garküche zu, die Fleischerinnung will sich dieser Gerechtsame nicht mehr fügen,
wird aber vom Stadtgericht abgewiesen. Der Bierzwang, der 1834 wegen schlechter Beschaffenheit des
Bieres vorübergehend aufgehoben worden war, tritt 1835 wieder in Kraft und ist das Einbringen
fremder Biere bei Vermeidung der Konfiskation wieder verboten.
Immerhin geht es im Verkehrsleben und
in wirtschaftlicher Beziehung Ende der 30er und Anfang der 40er Jahre entschieden vorwärts und
aufwärts. 1837 wird das Straßberger und
Neundorfer Tor und 1842 das letzte der noch stehenden Tore, das Hammertor, abgetragen. Die Accise,
resp. Torsperre, ist gefallen, der Brücken- und Pflasterzoll kommt von 1839 ab in Wegfall, das
Finanzministerium hat der Stadt dafür eine jährliche Rente von 117 Talern Preuß. Cour.
bewilligt. 1838 wird die städtische Sparkasse, 1839 eine Stadtbibliothek begründet. 1840
die Kgl. Baugewerkenschule eröffnet, 1841 das neuerbaute große städtische Schulgebäude
an der Syra bezogen, 1842 die Straßenbeleuchtung eingeführt und 1844 am 2. Mai der Grundstein
zu dem Kgl. Seminargebäude auf dem Neuenmarkt gelegt.
Noch im Herbst desselben Jahres aber sollte
Plauen von einem neuen schweren Unglücksfall heimgesucht
werden. In der Nacht vom 9. zum 10. September kam im Endegäßchen Feuer aus, welches infolge
eines heftigen Südwestwindes innerhalb vier Stunden 107 Wohnhäuser mit 199 Seiten- und Hintergebäuden
in der Endegasse, an der untern Seite des Marktes und der Herrengasse, dem obern und untern Steinweg,
dem Klosterplatz, der Schulgasse und dem Lindenplatz in Asche legte. Die Zahl der Abgebrannten belief
sich auf 1674 - es war dies der sechste Teil der Einwohnerschaft - die obdachlos dem Winter
entgegenging; groß und schwer waren die Verluste der Einzelnen, wie der Stadtgemeinde, aber ebenso
wie vor zehn Jahren nach der großen Wasserflut trat sofort ein Hilfskomitee zusammen, das mit überaus
günstigem Erfolg tätig war, allein an barem Gelde konnte eine Summe von 42 770 Taler an die
Kalamitosen verteilt werden. Aus dem Greuel der Verwüstung stieg eine ganz neue freundliche Stadt
empor - besonders durch die verbesserte Anlage ihrer Straßen und freien Plätze.
Eine außerordentliche
aus zwei Ratsmitgliedern, zwei Stadtverordneten und drei Vertretern der Bürgerschaft gebildete
außerordentliche Baudeputation war sofort an die Ausarbeitung
einer Bauordnung und eines Baureglements gegangen. Die Verbreiterung der neuanzulegenden Straßen,
zumal der Herrenstraße, stieß auf vielfachen Widerstand. Gegner war in erster Linie der
damalige Stadtrichter Haußner, aber Bürgermeister Gottschald ließ sich durch keine
Opposition in der Durchführung des vorzüglich bearbeiteten Bebauungsplanes beirren. Ihm verdankt
Plauen, daß es dem Phönix gleich aus der Asche wieder erstand. Nächst der Anlage des
Klostermarktes, Schaffung der Klosterstraße. Verbreiterung des Steinwegs wie anderer Straßen
und Gassen, war als wesentlichste Erweiterung des Straßennetzes eine neue Straße in Aussicht
genommen, welche von der Herrengasse aus - (die jetzige Bahnstraße) - durch das Lohmühlengrundstück
mittelst einer großen Brücke eine Verbindung mit der Pausaer Chaussee herstellen sollte.
Der Bau der Sächs.-Bayrischen Eisenbahn war von Leipzig bis Altenburg
bereits vollendet und auch Plauen sollte bald der Segnungen einer Schienenverbindung nach Nord
und Süd teilhaftig werden. Es lag also nahe, da der Plauische Bahnhof in die Nähe der Pausaer
Chaussee projektiert war, eine Straße in dieser Richtung zu schaffen. Diese Verbindungsstraße
war einschließlich der steinernen aus 3 Bogen bestehenden Brücke auf 17072 Taler 21 Ngr.
2 Pfg. veranschlagt, wozu der Staat eine Beihilfe von 8000 Talern gewährte. Der Gesamtbetrag der
von dem größeren Bürgerausschusse zur Durchführung des Neubauplanes für den
abgebrannten Stadtteil bewilligten Kosten war 50000 Taler.
Der Bau der Brücke, derselben, welche
jetzt zum dritten Male verbreitert worden ist, wurde laut Vertrag vom 29. Mai 1845 den Maurermeistern
Lippmann und Jahn aus Auerbach für die vereinbarte
Summe von 9300 Talern unter der Bedingung übertragen, daß die Brücke bis Ende
November fertiggestellt sein müsse. Anfang November waren die Unternehmer ihrer Verpflichtung
nachgekommen bis auf die Säulen, die noch zu setzen und das Geländer, welches noch anzubringen
war, als ein unerwartetes Hindernis die Vollendung der Brücke um ein volles Jahr hinausschob,
sodaß dieselbe erst am 6. November 1846 vollendet übergeben werden konnte. Eine Meinungsverschiedenheit
bezüglich des Geländers der Brücke zwischen Rat und Stadtverordneten war der Grund dieser
heute kaum glaublichen Verzögerung. Das Geländer sollte nach dem Vertrage mit den beiden
Maurermeistern blos aus drei horizontalen eisernen Stäben bestehen. Auf Vorschlag des bauleitenden
Chaussee-Inspektors Kunze entschloß sich jedoch im Oktober 1845 die Lokal-Bau-Kommission
für ein etwas reicher ausgestattetes gußeisernes Geländer, womit der Rat zunächst
auch einverstanden war, unter dem 9. Januar aber spricht er sich in seiner Majorität gegen dasselbe
und für Ausführung des ursprünglichen Anschlags aus. Kunze richtet unter dem 7. Februar
ein 20 Folioseiten füllendes Expose an den Rat, worin er die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit
des gußeisernen Geländers nachweist.
Zur Unterstützung des Exposés des Inspektors Kunze
richtet die Amtshauptmannschaft als aufsichtsführende
Behörde, daß der Bau, zu dem der Staat 8000 Taler bewilligt hat, auch tüchtig
ausgeführt werde, unter dem 17. Februar an den Rat ein Schreiben, welches an Deutlichkeit nichts
zu wünschen übrig läßt. Trotzdem geschieht in der Sache so gut wie nichts, im
Juni beantragen die Stadtverordneten, daß die Brücke vorerst mit Notbarrieren zu vollenden
sei. Ende Juni kommt Bürgermeister
Gottschald endlich vom Landtag wieder und bereits am 10. Juli beschließt der Rat mit 5 gegen
2 Stimmen die Herstellung des gußeisernen Geländers, während die Stadtverordneten auf
der ursprünglich geplanten und veranschlagten billigeren Ausführung bestehen. Die Differenz
zwischen Rat und Stadtverordneten zu beseitigen, gelingt aber auch Gottschald nicht, die letzteren
richten vielmehr unter dem 31. Oktober eine Beschwerde an die Kreisdirektion zu Zwickau, da dem Rate
ein Bewilligungsrecht für den Mehrbetrag des Geländers nicht zustände. Die Kreisdirektion
entscheidet unter dem 16. März 1847 zugunsten des Stadtrates.
Das vielumstrittene Geländer,
dasselbe, welches noch heute die Brücke abschließt,
wird vom Hammerwerk des Herrn von Querfurth in Schönhaide mit 4 Taler die laufende Elle an Ort
und Stelle geliefert, die Aufsicht über die Aufstellung und Befestigung desselben wird dem
Mechanikus Eisenreich übertragen. Als letzte Notiz in dem betreffenden Aktenstück findet
sich, daß zum zweimaligen Anstrich des Geländers am 26. Mai 1847 von Offenbach ein Fäßchen
Asphalt-Firnis für 33 Gulden süddeutsche Währung bezogen worden ist.
1846 stand der neue
Stadtteil in stattlichen Wohnhäusern fertig da, der Eisenbahnbau und der
Bau des Bahnhofsgebäudes unweit des „neuen” Chausseehauses an der Pausaer Chaussee
war in Angriff genommen, am 12. August der Grundstein zum Gewerbeschulgebäude (jetzt Kgl. Gymnasium)
gelegt worden. Vom Herbst 1846 ab (Ratsbeschluß vom 17. Oktober 1846) wurde die allgemeine Straßenbenennung
eingeführt, nachdem man sich bis dahin vielfach mit umschreibenden Bezeichnungen nach den Personennamen
der betreffenden Besitzer oder Anlieger beholfen hatte. So gab es Stern's Gäßchen (Schloßbergstraße),
Stixens Gäßchen (Schießbergweg), Gäßchen bei Grimms Garten (Turngasse),
Gäßchen bei Meltzers Haus (Hradschinstraße), Ziegelhüttenweg (Dobenaustraße),
Gasse oberhalb der Königsburg (Burgstraße), beim Schlössel (Seestraße), Gasse
von der Schwarzfarbe bis zum Hammertor (Gerberstraße), Pätzens Gäßchen (Braugasse),
Gäßchen bei der obern Elstermühle (Theatergasse, jetzt Mühlstraße),
Neubau = Neuermarkt (Seminarstraße), das Mordgäßchen wird auf dem Stadtplane von
1732 als Mohrgasse aufgeführt.
Den baupolizeilichen Bestimmungen entgegen hatte eine Bürger,
Schmidt Popp, am oberen Graben ein Gebäude begonnen aufzuführen, welches wieder abzutragen
ihm aufgegeben worden war. Popp weigerte sich dessen und setzte den Polizeiorganen den heftigsten
Widerstand entgegen, sodaß die Kommunalgarde
alarmiert werden mußte. Als die Bauplanke entfernt werden sollte, nahm die tausendköpfige
Menge für den Popp Partei und ging zum gewälttätigen Angriff gegen Polizei und Kommunalgarde
durch einen heftigen Steinhagel über, sodaß die Baugewerken flüchten mußten,
auch einige Kommunalgardisten wurden verwundet. Popp hatte sich auf das Dach eines Stallgebäudes
postiert, von dem er herunterfiel, womit der Tumult ein Ende nahm.
Wie das Jahr 1817 war auch das Jahr
1847 infolge gänzlichen Mißwachses im Vorjahr ein Jahr
der härtesten Not und drückendsten Teuerung. Von Woche zu Woche war der Preis des Getreides
gestiegen, bis der Scheffel Korn auf 10 Taler, der Scheffel Weizen über 12 Taler kam. Als am 24.
Juli 1847 der erste Erntewagen eingefahren werden konnte, fand auf dem Marktplatz ähnlich wie
im Jahre 1817 ein vom Stadtrate und dem Superintendenten Beyer veranstaltetes religiöses
Volksdankfest statt.
Die politischen Ereignisse des Jahres 1848 machten sich in Plauen um so mehr geltend,
als ein Plauischer Mitbürger, der spätere Amtshauptmann Dr. Braun, zum Minister ernannt
und von Sr. Majestät
mit dem Vorsitz im Gesamtministerium betraut worden war. Am 29. März fand zu Ehren der Anwesenheit
Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Dr. Braun in seiner Vaterstadt eine Feier mit Fackelzug
und allgemeiner Illumination statt.
Anfang April macht der Rat bekannt, daß durch die infolge
der Zeitereignisse eingetretene Stockung des Verkehrs es sich notwendig mache, Unbeschäftigten
Arbeit zu geben, wozu außerordentliche
Geldmittel notwendig seien, deren die Stadtkasse aber noch entbehre, alle diejenigen, welche mit Zahlung
an die Stadtkasse, Stadtsteuer-Einnahme oder an die städtische Sportelkasse im Rückstand
sind, werden aufgefordert, zur Vermeidung von Zwangsmitteln, ihrer Verpflichtung ungesäumt
nachzukommen.
Im November 1848 fand die Verkehrs-Eröffnung der Sächsisch-Bayrischen Eisenbahn
von Plauen bis Hof statt, gleichzeitig die Errichtung eines Eisenbahnamtes mit Telegraphenbureau. Zunächst
gingen nach Hof drei Züge von Plauen ab, um 1/2 7 Uhr früh, 3 Uhr nachmittags und 7 Uhr abends,
von Hof zurück 6 Uhr früh, 11 Uhr vormittags und 7 Uhr abends. In der Richtung nach Leipzig
von Reichenbach und zurück verkehrten ebenfalls nur drei Züge.
Vom 21. März bis 1. April
1849 Durchzug und Einquartierung des nach Schleswig-Holstein marschierenden
bayrischen Armeekorps; die Kommandanten lassen durch Bürgermeister Gottschald der ganzen
Einwohnerschaft für den herzlichen Empfang der Truppen, sowie den Quartiergebern für die
ausgezeichnete Bewirtung und freundliche Aufnahme den wärmsten, aufrichtigsten Dank abstatten.
Am
1. Mai richten Rat und Stadtverordnete an Se. Majestät den König eine Adresse behufs
Anerkennung der deutschen Reichsverfassung nebst Reichswahlgesetz, wie solche von der Nationalversammlung
in Frankfurt a. M. festgestellt worden sind.
Zur Unterstützung des am 3. Mai in Dresden ausgebrochenen
Aufstandes marschiert am 7. Mai ein 80 Mann starker bewaffneter „Zuzug” nach Dresden, welchem
am 9. Mai weitere 25 Mann folgen, beide Zuzüge sind dort nicht mehr in Aktion getreten. Am 22.
Mai Einrücken preußischer.
am 27. Mai Einrücken sächsischer Truppen, welche bis zum 31. August 1850 einquartiert bleiben.
Der vormalige Stadtrichter Haußner wird wegen seiner Teilnahme an den aufrührerischen
und hochverräterischen Unternehmungen in den vergangenen Maitagen unter dem 26. Oktober 1849 steckbrieflich
verfolgt, er hatte sich aber lange vorher nach der Schweiz in Sicherheit gebracht.
Nach Vollendung der
Göltzsch- und Elstertalbrücke kommt die Sächs.-Bayrische Eisenbahn
am 16. Juli 1851 in vollständigen Betrieb, nachdem tags zuvor unter Anteilnahme Sr. Königl.
Hoheit des Prinzen Albert, Sr. Durchlaucht des regierenden Fürsten von Greiz und sonstiger hoher
Ehrengäste die feierliche Betriebseröffnung der Strecke Reichenbach-Plauen stattgefunden
hatte und damit endlich die Plauische Industrie die Vorteile der Bahntarife gegenüber den Sätzen
per Achsenfracht voll genoß. Kostete vorher 1 Zentner Stückgut nach Leipzig per Achse 2
Taler, so ermäßigte sich der Satz per Bahn auf 80 Pfg.
Inzwischen war die nach dem großen
Brande von 1844 geschaffene neue Straße in der Richtung
nach dem Bahnhof mehrfach bebaut worden, unterhalb Deils Hotel hatte Postmeister Irmisch ein großes
Gebäude errichtet, in welches am 19. Oktober 1852 das Postamt aus dem Gasthof zur Stadt Dresden
in der Neustadt, in dem es nahezu ein halbes Jahrhundert sich befunden hatte, verlegt wurde. Angestellt
waren zu dieser Zeit nur zwei Briefträger: Günnel und Heinzmann, den alten Plauischen noch
wohlbekannt. Beim Umzug hatte man vergessen, den Briefeinwurf in Stadt Dresden zu entfernen; nach Verlauf
von 14 Tagen fanden sich in demselben nicht weniger als 162 angesammelte Briefe vor. Von Mitte Dezember
ab wurden zur Bequemlichkeit des korrespondierenden Publikums zwei Briefkasten, einer am Rathause,
einer am ehemaligen Posthause angebracht.
Erfreute sich Plauen anfangs der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts auch in wirtschaftlicher Beziehung unvergleichlich günstigerer Zustände - 1853
wurde die erste größere
Stadtanleihe von 80000 Talern beschlossen und genehmigt -, waren die Verkehrsverhältnisse
im Innern der Stadt nun in der Tat bessere geworden, blieb doch noch in letzter Beziehung recht viel
zu wünschen übrig. So gab es an vielen Stellen in gewissen Straßen der Stadt noch enge
winklige Stellen, die den Verkehr für den Fußgänger neben den Geschirren fast lebensgefährlich
machten, so eingangs der Neustadt (Christ. Tröger) wie ausgangs nach der Brücke zu (bei Bäcker
Treibmann), nicht minder an der Syra oberhalb des ehemaligen Syrauer Tors (zwischen dem Wettsteinschen
und Wagnerschen Hause), ebenso an der Dobenaustraße an der Friedhofsmauer. Zahlreiche größere
und kleinere Brände, zum Teil von einem Zimmermann namens Bauernfeind angelegt, welche in
regelmäßigen Zwischenräumen Sonnabends abends kurz vor 9 Uhr zum Ausbruch kamen, befreiten
die Stadt nach und nach von vielen häßlichen Stellen, später wurden auch besonders
verkehrsstörende Häuser von der Stadt in einzelnen Fällen angekauft und abgebrochen,
auch wurde mit der Trottoirlegung im Innern der Stadt begonnen.
Werfen wir nun zum Schluß noch
einen kurzen Blick auf die spätere Entwicklung des Verkehrs
unserer Stadt.
1840 hatte die Stadt
672 bewohnte Gebäude mit 10 152 Einwohnern
1871 1254„ „ „ 23 355 „
1881 1928„ „ „ 35 674 „
1891 2608„ 47 100 „
1901 3857 76 493
1902 4031„ „ 83 574 „
1903 4491„ „ „ 95 937 „
1904 ca. 4900 „ „ „ 102 000
Vom Jahre 1840 - 1871 hatte Plauen 30 Jahre gebraucht, um
seine Einwohnerzahl zu verdoppeln, von 1871 - 1891 bedurfte es nur 20 Jahre, um die Einwohnerziffer abermals
und zwar von 23 355 auf 47100 zu verdoppeln, das Wachstum der Stadt ist von da ab ein immer rapideres
geworden.
Die 1845 erbaute Syrabrücke
hatte bei einer Breite von 12 1/2 Meter 50 Jahre dem Verkehr genügt,
im Jahre 1894 machte sich eine Verbreiterung um 7 1/2 Meter auf 20 Meter notwendig,
infolge der gewaltigen Verkehrssteigerung und des Straßenbahnbetriebes
genügten nach weiteren 5 Jahren 20 Meter
nicht mehr und erfolgte eine abermalige Verbreiterung um 7 Meter. Der 1904
vollendete dritte Anbau hatte an der Lohmühlenseite eine Breite von 6
Meter, die sich bis zum Trömelschen
Neubau bis auf 9 1/2 Meter erweitert, so daß die Gesamtbreite der Brücke
im Mittel zirka 35 Meter betrug.
So ist diese Syrabrücke, im Verein mit der Zahl der jetzt überhaupt
vorhandenen Brücken
zum Gradmesser der Verkehrssteigerung im letzten Jahrzehnt geworden. Bis zum
Jahre 1835 besaß Plauen
nur eine steinerne Brücke über die Elster, in diesem Jahre erbaute
der Plauische Großindustrielle
Kammerrat Gössel, an Stelle des „hohen Stegs” auf seine
Kosten eine zweite steinerne Brücke, die er am 4. Juli 1836 der Stadt
zum Geschenk machte. Diese Brücke ist infolge der
Elsterregulierung zwar verschwunden, aber die neuerbaute größere über
die regulierte Elster im Zuge der Böhlerstraße trägt den Namen „Gösselbrücke.” Namenlos
ist noch immer die vor zirka 6 Jahren mit einem Kostenaufwand von 77 500 Mark
erbaute schöne große
Brücke über die Elster im Zuge der Fürstenstraße, ebenso
die im vorigen Jahre vollendete im Zuge der Dürerstraße. Ein beträchtliches
Bauwerk ist auch die Brücke über
den Mühlgraben im Zuge der Trockentalstraße; in kleineren Dimensionen,
aber gefällig,
zeigt sich die Architektur der Syrabrücke im Zuge der Theaterstraße.
Zu diesen „Straßenbrücken” ist
in den letzten Wochen noch eine Eisenbahnbrücke über die Elster
bei dem neuen Gasanstaltsgrundstück
hinzugekommen, welche in einer Länge von 80 Meter das Flußbett
schräg übersetzt
und mittelst welcher seit einigen Wochen der Gasanstalt ihr bedeutender Bedarf
an Kohlen direkt zugeführt
wird. Aber alle diese Brückenbauten werden weit überboten durch
den Bau der in Bruchstein-Zement-Mörtel-Mauerwerk
ausgeführten großen Syratalüberbrückung (König Friedrich-August-Brücke),
deren kühner Bogen von 90 Meter Spannweite von keinem ähnlichen
Bauwerk erreicht wird und die in hoffentlich nicht zu langer Zeit zwei große
Stadtteile in innige Verbindung bringen wird.
Das
auf der Baustelle des von der großen Wasserflut im Jahre 1834 zerstörten Gasthofes
zum Herz 1838 - 1841 neuerbaute große städtische Schulgebäude hatte bis zum Jahre
1860 Raum für alle Schulkinder gehabt, 1861 wurde das zweite Schulgebäude an der Neundorfer
Straße errichtet, 1874 das am Anger, 1876 das vierte an der Straßberger Straße, 1882
das fünfte an der Jößnitzer Straße, 1889
die höhere Bürgerschule, 1892 die mittlere Bürgerschule in der Johannstraße, 1897
das Schulgebäude mit Kochschule in der Reißiger Straße, 1901 das Schulgebäude
in der Ostvorstadt und bereits nach 3 Jahren das zur Zeit im innern Ausbau begriffene zehnte Schulgebäude
in dem Neundorfer Stadtteil. Die einverleibten Stadtteile Haselbrunn, Chrieschwitz und Reusa besitzen
gleichfalls stattliche Schulgebäude. Zu der altehrwürdigen Hauptkirche und der 1722
geweihten Gottesacker- jetzt Lutherkirche ist die im Jahre 1897 vollendete prächtige Pauluskirche
als drittes Gotteshaus und gewissermaßen als Wahrzeichen des neuen Plauen hinzugekommen. Projektiert
ist zur Zeit ein neues Gebäude für das Realgymnasium, die Errichtung eines großen Volksbades,
sowie einer Talsperre im Geigenbachtale zur ausreichenden Versorgung der Stadt mit Wasser und schließlich
eines großen Verwaltungsgebäudes, welche Projekte zum Teil schon in Ausführung begriffen
sind, resp. in den nächsten Jahren vollendet sein werden.
Ueberblicken wir aber, was in den letzten
zehn Jahren in Plauen außer der Durchführung
wohldurchdachter Bebauungspläne zur Hebung des Verkehrs alles geschaffen worden ist, so möchte
ich nur erinnern an die Elsterregulierung, Errichtung des großen Schlachthofes und des Elektrizitätswerkes,
Erweiterung der Gasanstalt, Unterführung der Schillerstraße zur Verbindung von Haselbrunn
mit der östlichen Bahnhofsvorstadt, Fortführung der Trockentalstraße unter Wegfall
des Weidigtgäßchens und die dadurch geschaffene günstigere Verbindung der Straßberger
und Neundorfer Vorstadt mit dem Talbahnhof. Zur Verbreiterung der unteren Endestraße mußte
das Pörnersche Haus und die alte Mädchenschule dem architektonisch reich ausgestatteten Pastorat
Platz machen. Um eine besonders für den Straßenbahnverkehr gefährliche Stelle
an der Neundorferstraße zu beseitigen, sind die Schieck- und Auerbachschen Häuser angekauft
und abgebrochen worden, die innere Stadt wird weiter gewinnen durch den Abbruch der für den Bau
des Verwaltungsgebäudes angekauften Häuser, besonders die Herrenstraße durch
den Durchbruch nach dem unteren Graben und die Marktstraße durch die Verbreiterung nach Beseitigung
des den Verkehr beengenden Heynigschen Hauses. Trotz der enormen Summen, die alle diese zahlreichen
und großen Bauten beanspruchen, ist es durch vorsichtige Finanzgebahrung gelungen, auch
in den letzten zehn Jahren ohne Erhöhung des Zuschlags zur Gemeinde-Einkommensteuer auszukommen.
Als
weitere Errungenschaft der letzten Jahre ist hervorzuheben, daß Plauen Garnisonstadt
geworden ist, ohne daß der Stadtgemeinde dafür besonders schwere Opfer auferlegt worden
sind; ein nicht allzugroßes, aber stattliches Theatergebäude, dessen Inneres in seiner
vornehmen Einfachheit einen anheimelnden Eindruck macht, ist in der Hauptsache aus städtischen
Mitteln errichtet worden, nachdem der Theaterverein durch freiwillige Beiträge den Grundstock
zur Bausumme beschafft hatte.
Post- und Telegraphenverkehr ist derart gewachsen, daß trotz
Errichtung von fünf weiteren Postämtern, Hoferstraße, oberer Bahnhof, Karolastraße,
Chrieschwitz und Reusa zur Zeit ein bedeutender Anbau an das Hauptpostamt sich notwendig gemacht hat.
Unsere
Straßenbahn, deren Betrieb vor zehn Jahren am 17. November 1894 eröffnet wurde,
hat vor fünf Jahren Ende 1899 am 21. Oktober die Linie nach dem Grünen Kranz dem Verkehr übergeben,
Verlängerungen der bestehenden Linien sind erfolgt oder in Ausführung begriffen, neue
Strecken werden im nächsten Jahre hinzukommen.
Große freie Plätze sind in den Bebauungsplänen
aller Stadtteile vorgesehen und zum Teil bereits erworben, der Schröder- und noch mehr der Dittrichplatz
erfreuen das Auge durch ihre Schmuckbeete und welche Zierde für unsere Stadt sind der Albertplatz
und Lutherplatz nach ihrer gärtnerischen Umgestaltung geworden; kurz, wir können Umschau
halten nach welcher Richtung wir wollen, so sehen wir allerwärts das erfreuliche Bild einer in
raschestem Tempo, aber in gesunder Entwickelung unausgesetzt vorwärts und aufwärts strebenden
Stadt, sodaß deren Bürger
mit Ullrich von Hutten ausrufen können:
„Es ist eine Lust zu leben in diesem Jahrhundert!”
Möge es allezeit so sein in unserer guten Stadt Plauen.